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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten!
Autoren: Robert Tibber
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Gesichtern.«
    Während des Morgenspaziergangs hatten wir eine lange Diskussion darüber gehabt, wie mein Los, soweit es die Praxis betraf, erleichtert werden konnte, und waren zu folgenden Entschlüssen gekommen: Ich mußte einen Assistenten anstellen, der die Arbeit mit mir teilen konnte, und ferner wollten wir einen Umzug in Erwägung ziehen, damit das nervenanstrengende »Wohnen überm Laden« aufhören würde, wo die Patienten wußten, daß ich Tag und Nacht erreichbar war.
    Beides ganz einfache Entschlüsse, aber wir hatten erst einmal aus der alltäglichen Tretmühle herauskommen müssen, um sie treffen zu können. Nach unserer Rückkehr würden wir unsere Einfälle in die Tat umsetzen müssen.
    Der Samstagabend und der Sonntagmorgen schlichen langsam dahin. Solange ich wie ein Automat gearbeitet hatte, war es mir nie bewußt geworden, wie viele Stunden ein Tag hat. Am Sonntagnachmittag schienen sie dahinzukriechen, und es juckte mich danach, wieder an die Arbeit zu kommen.
    Seit Sylvias Bombe am Samstagnachmittag waren wir von allen im Mulberry-Hotel mit höflicher Zurückhaltung behandelt worden. Der einzig annehmbare Gesprächsstoff von gemeinsamem Interesse schien Miss Trapp zu sein, deren Zustand, wie wir hörten, zufriedenstellend war. Nur der Colonel hatte mir den ganzen Sonntag über seltsame, scheue Blicke zugeworfen. Den Grund dafür erfuhr ich kurz vor unserer Abreise.
    Ich stand mit den Koffern in der Halle, als er sich von seinen Freundinnen im Gesellschaftszimmer absonderte und mich zur Seite zog. Er blickte um sich, ob uns niemand beobachtete.
    »Hm, hm«, räusperte er sich, und verschwörerisch: »Doktor?«
    »Ja?« antwortete ich ein wenig ungeduldig, da Sylvia schon im Wagen wartete.
    »Ich hätte sie gerne einmal konsultiert.«
    Der arme alte Knabe sah ganz niedergeschlagen aus, als ich all seine Illusionen über mich zerbrechen mußte, nachdem er endlich seinen ganzen Mut zusammengerafft hatte, um das Thema zur Sprache zu bringen. Ich gab ihm die Adresse eines Kollegen von mir, der ihm sicher helfen könnte, und wir verließen Limmering.
    »Wer hätte das gedacht?« gab Sylvia ihrer Verwunderung Ausdruck, als wir die offene Straße erreicht hatten.
    »Man erlebt immer wieder Überraschungen«, erklärte ich weise.
    »Zum mindesten haben wir ihnen Gesprächsstoff hinterlassen«, sagte Sylvia. »Wir werden ihnen für die nächste Woche reichen.
    Ich lachte, aber Sylvia meinte: »Lach nicht. Es ist ziemlich traurig, wenn man überlegt, daß sie da Jahr um Jahr zusammensitzen, über ihre Leiden diskutieren, bis man sie fortfährt wie Miss Trapp.« Ich drückte meinen Fuß auf den Gashebel und dachte an das Kaminfeuer, die Teetassen und die Medizinflaschen im Mulberry-Hotel.
    »Manchmal muß man lachen«, seufzte ich, »wenn man eigentlich weinen sollte.«
     

3. KAPITEL
     
    Ich hatte meinen Schlüssel meiner Mutter gegeben, und Sylvia hatte ihren Frau Doktor Miller geliehen; da Annalies den dritten in Besitz hatte, mußte ich klingeln, als wir am Sonntagabend zurückkehrten.
    Wir hörten die Schelle, aber es rührte sich nichts.
    »Vielleicht hat Mutter die Kinder gerade in der Badewanne«, vermutete Sylvia.
    Ich klingelte wieder. »Hoffentlich ist alles in Ordnung.«
    Kurz darauf wurde die Tür geöffnet, aber nicht von Mutter. Eine Blondine in hautenger, scharlachroter Hose, schwarzem Pullover und bloßen Füßen stand in der Tür und blickte uns durch eine Hornbrille an, die auf einem sommersprossigen Himmelfahrtsnäschen saß.
    »Hay!« Sie hob grüßend einen Arm, wobei eine Kaskade von Armreifen bis zu ihrem Ellbogen herunterrollte. »Ich bin Caroline. Kommt ’rein.«
    Ich starrte sie an. Das konnte nicht stimmen.
    »Sie sind doch nicht...?« begann ich.
    »Natürlich bin ich’s. Die kleine Kusine Caroline aus den Staaten ist erwachsen geworden. Hay, Dok.« Sie warf ihre Arme um meinen Hals, und es war mir, als hätte ich Brigitte Bardot und Marilyn Monroe zusammen im Arm. Da ich in jeder Hand einen Koffer hielt, war ich ihrem Angriff gegenüber machtlos.
    Ich konnte mir denken, daß es in Sylvia langsam kochte, und blickte zu ihr hin, um ihr eine Erklärung zu geben, aber mein Mund war voll blonder Haare. Als sie mich schließlich freigab, und wir hineingingen, fragte ich: »Wo ist Mutter?« Von den Kindern war nichts zu sehen.
    »Tantchen mußte nach Frinton zurückgehen«, antwortete Caroline. »Ihre Nachbarin rief an, daß bei ihr ein Wasserrohr geplatzt ist.«
    »Und die
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