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Die lieben Patienten!

Die lieben Patienten!

Titel: Die lieben Patienten!
Autoren: Robert Tibber
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komplizierten, das meine Mutter Penny verordnet hatte. Die einzige Hustenmixtur von wirklichem Wert war ein zur Nacht genommenes Beruhigungsmittel. Dieses beruhigte das Hustenzentrum im Gehirn und verringerte den Hustenkrampf. Der gleiche Effekt würde erreicht werden, wenn man das Beruhigungsmittel ohne den Saft einnehmen würde. Diese Tatsachen wollte die große Masse, durch die Anzeigen von Wundermedizinen beeinflußt, nicht wahrhaben, und ich hatte den Versuch, gemeinsam mit den meisten meiner Kollegen, die schließlich essen und ihre Familie unterhalten wollen, aufgegeben.
    Wenn die Patientinnen einen Hustensaft verlangten, bekamen sie ihn. Wenn er nicht stark genug war oder nicht schlecht genug schmeckte, um wirksam zu sei, bekamen sie ihn stärker und scheußlicher. Wenn sie das meiste davon geschluckt hatten, war der Husten gewöhnlich besser, und sie weigerten sich zu glauben, daß als einzige die Arzneimittelfirma von dem Inhalt der Flasche Nutzen gehabt hatte. Die Regel lautete: »Je schlimmer der Husten, desto dunkler die Flasche.« Das klang nach Gesundbeten, aber es war so. Man konnte nichts dagegen sagen. In der Nacht nach unserer Rückkehr von unserem seligen Wochenende im Limmering hatten wir erst zwei Stunden geschlafen, als das Telefon klingelte. Aus den dunklen Tiefen meiner Träume gerissen, fand ich endlich den Hörer und meldete mich. Die Unterhaltung ging folgendermaßen:
    »Hallo. Sind Sie’s, Doktor?«
    «Ja.«
    »Hier ist Mr. Butterworth. Es tut mir leid, daß ich Sie zu dieser Zeit der Nacht stören muß, aber ich wollte fragen, ob Sie herkommen können.«
    »Was ist los?«
    »Es ist Mrs. Butterworth. Sie hat anscheinend einen ihrer Anfälle.«
    »Von wo sprechen Sie?«
    »Steingartenstraße neuunddreißig.«
    »Es tut mir schrecklich leid«, sagte ich. »Den Weg kann ich nicht machen. Da müssen Sie einen anderen Arzt rufen.«
    »Aber ich kenne sonst niemanden. Sie haben sie doch immer behandelt.«
    »Es tut mir wirklich außerordentlich leid, Mr. Butterworth, aber ich fürchte, Sie müssen sich nach jemandem in Ihrer Nähe umsehen.«
    »Besteht wirklich keine Chance, daß Sie kommen? Es geht ihr wirklich schlecht.«
    »Seien Sie nicht unvernünftig«, beharrte ich. »Es würde mich die ganze Nacht kosten, wenn ich dorthin käme.«
    »Nun gut, wenn Sie nicht wollen, läßt es sich nicht ändern.«
    »Es tut mir wirklich leid. Ich bin sicher, daß Sie jemand anders finden.«
    »Wenn Sie meinen...«
    »Gute Nacht«, schloß ich heiter und fiel augenblicklich wieder in tiefen Schlaf.
    Am Morgen fragte Sylvia: »Warum, um alles in der Welt, hast du dich nur geweigert, Mrs. Butterworth zu besuchen?« Und plötzlich und erschreckt erkannte ich die Wirklichkeit.
    »Mein Gott!« stöhnte ich. »Ich dachte, wir wären noch in Limmering. Was habe ich nur gesagt?«
    »Du hast gesagt, daß er jemand aus seiner Nähe holen sollte. Du könntest unmöglich den Weg machen.«
    Die Steingartenstraße befand sich gleich um die Ecke. »Wie konnte ich nur so blöde sein. Der alte Butterworth muß denken, ich bin verrückt geworden. Ich muß gleich zu ihm hin und mich entschuldigen.«
    Aber Mr. Butterworth erschien bereits als erster in der Sprechstunde. Er sah mich seltsam an und rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Geht es Ihnen nicht gut, Doktor?« fragte er statt eines Grußes. Ich hatte den Eindruck, daß er sich im Zimmer mit mir allein nicht recht behaglich fühlte.
    Ich erklärte, was geschehen war. »Was müssen Sie nur gedacht haben?« fragte ich, als ich fertig war. »Nun, um die Wahrheit zu sagen«, antwortete Mr. Butterworth, »einen Augenblick lang dachte ich, daß ich verrückt geworden sei, als Sie meinten, daß Sie unmöglich den langen Weg machen könnten. Es ist ja schließlich nicht länger als drei Minuten zu Fuß. Aber es ging alles in Ordnung, Mrs. Butterworth hatte ihren Anfall fünf Minuten später überstanden. Da habe ich ihr eine von den Tabletten gegeben, und sie hat weitergeschlafen.«
    »Ende gut, alles gut«, sagte ich erleichtert. »Ich hoffe, Sie verstehen mich.«
    »Oh, ich verstehe«, bestätigte Mr. Butterworth und zog sich zur Tür zurück. Aber nach dem mitleidigen Blick, den er mir zuwarf, zu urteilen, schien mir das nicht allzu sicher.
    Während der letzten Tage der randvollen Woche, die ich nach der Wiederbelebung durch die Seeluft von Limmering gut überstand, fand ich die Zeit, eine, wie ich hoffte, umfassende und flehende Annonce nach der Hilfe eines
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