Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes

Titel: Die Liebe zur Zeit des Mahlstaedter Kindes
Autoren: Setz Clemens J.
Vom Netzwerk:
meine ja nur, weil …
    – Es ist saukalt draußen, sagte Albert.
    Seine Stimme klang ungeduldig. Lea drehte sich um. Kirill sah ein paar rote Flecken auf ihrem Hals. Bissspuren? Er schüttelte die Vorstellung schnell wieder ab.
    Einen Augenblick blieb er unschlüssig stehen, schaute dem Kater zu, der um eine Ecke bog, und ging dann an Lea vorbei zur Tür. Er versuchte, sie zu streifen, aber es gelang nicht. Jetzt erst spürte er die Müdigkeit der vergangenen Nacht.

    Von wegen Zufall . Kirill wusste, dass Lea und Albert sich schon eine Weile kannten. Aber erst in letzter Zeit waren sie sich offenbar nähergekommen. Albert rauchte Zigarren. Er trainierte jeden Nachmittag im Park, fuhr mit einem irgendwie verkrampft wirkenden Fahrrad durch die Gegend und spielte angeblich ganz gut Schach und Klavier – beides, wie Lea sagte, die edelsten Erfindungen mit weißen und schwarzen Feldern, die es gab.
    Das waren die Fakten.
    Das Reich der Spekulation begann mit Alberts Arbeit – Kirill glaubte zu wissen, dass er ein Diplom in einem Sozialberuf besaß, vielleicht sogar einen Doktortitel, Psychologie, Pädagogik, so etwas – und endete mit denDingen, die er sich lieber nicht vorstellen mochte. Leas mit frischem Lehm verschmierte Brust, die von einer zitternden Hand gereinigt wird. Ja, bestimmt beherrschte Albert diese Dinge ziemlich gut, Leute waschen, Körpernähe, Waschlappen, Fieberthermometer. Kirill stellte ihn sich als Krankenpfleger vor, der breitschultrig und eingehüllt in eine Wolke von Aftershave durch die Korridore ging und vor dem alle Patienten Angst hatten. Oder er dachte an ihn als Lehrer inmitten einer Schar monochromer Kinder. In Kirills Vorstellung sahen die Augen der Kinder aus wie eine auf der Seite liegende 9.
    Auf dem Nachhauseweg kam Kirill am Park vorbei. In den Bäumen hingen Hunderte bunte Ballone und an manchen besonders tragfähigen Ästen auch Scheinwerfer mit tagsüber geschlossenen Augen. Der Herbst war auf dem Weg in die Stadt.
    Kirill fühlte sich matt, zerquetscht, übernächtigt.
    Ich schlief in einem der kleinen Hotels / aus den Kästen Joseph Cornells.
    Er betrat sein Stammlokal, das bis mittags offen hatte. Im Lokal herrschte eine ungemütliche Stimmung, wie nach einer Schlägerei. Jules, der Barmann, begrüßte ihn und fragte ihn nach dem Gelingen seines Vorhabens.
    – Kein Plan, kein Vorhaben, kein Erfolg. Und wie geht es bei dir?
    – Ich weiß nicht … Ich liebe alle Frauen.
    – Ja, alle Frauen. Und wen meinst du mit alle Frauen?
    – Ich bin verheiratet.
    – Gut. Wenigstens bist du ehrlich.
    – Ja, sagte Jules zufrieden. Aber du solltest trotzdem nicht so ein Gesicht machen. Nur weil du eine Nachtauf ihre Wohnung aufgepasst hast und sie dich danach nicht gleich zum Teufel gejagt hat, hast du noch lange kein Recht auf, Recht auf –
    – Recht auf, Aussicht auf –
    – Auf du weißt schon. Man sieht es dir ja an den Zähnen an.
    – An den Zähnen! Wie soll das nun wieder funktionieren?
    – Wenn du grinst – so – dann sieht das eher aus wie ein Krampf im Kiefer und nicht wie Freude.
    Kirill überlegte eine Weile.
    – Das ist wirklich das Dümmste, was du heute gesagt hast.
    – Nein, das Dümmste war Grüß dich. Ich hätte gar kein Gespräch mit dir anfangen sollen.
    – Dein Pech.
    – Ja, mein Pech. Affe.
    – Pavian.
    – Meerkatze.
    Sie brachen in Gelächter aus. Sie stießen mit dem brennend heißen Kaffee auf irgendetwas an, das in der Luft hing. Kirill schaute auf die Uhr. Es war neun Uhr früh, und er war entsetzlich müde.
    Ich schlief in einem der kleinen Hotels / kleinen Hotels, kleinen Hotels …

    Im Fernsehen lief ein Bericht über das Kind . In dem Bericht war eine Schulklasse zu sehen, die vor der zu Boden blickenden Skulptur stand und in die Kamera winkte. Eine der Schülerinnen hielt einen Stock in der Hand und tat so, als wäre er eine Fahne, die man hinund her schwenken konnte. Hinter ihnen stand ein fahrbares Gestell mit einer Leiter, dessen Sinn und Zweck schwer zu bestimmen war.
    Kirill schaltete aus.
    Jetzt war es schon zwei Tage her, und Lea hatte sich immer noch nicht bei ihm gemeldet und ihm für seinen Gefallen gedankt. Natürlich, so eine Heldentat war es auch nicht gewesen. Auf eine Katze aufzupassen, eine Nacht lang. Eine schöne Wohnung allerdings … Kirill spielte mit dem Gedanken, sie einfach anzurufen. Vielleicht würde ihr ein Spaziergang guttun, ein wenig den Kopf frei bekommen …
    Am Nachmittag klingelte das Telefon, und es war
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher