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Die Liebe zu Rosen mit Dornen

Die Liebe zu Rosen mit Dornen

Titel: Die Liebe zu Rosen mit Dornen
Autoren: Margaret Dilloway
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sein faltiges Auge. Es ist mir nicht unangenehm. Ich starre die Menschen immer mit ernster Miene an, vor allem meine Schüler. Eine Schwester kommt und holt ihn ab. Es ist Schwester Sonya, eine große, russische Frau, die an ihrer Arbeit ungefähr so viel Freude zu haben scheint wie ein Beerdigungsunternehmer.
    Â»Mr Walters, fit wie eine Fiedel sehen Sie aus!«, flötet sie.
    Ich traue meinen Ohren nicht.
    Â»Eine Fiedel, die am Strand im Regen gelegen hat vielleicht.« Seine Stimme klingt rau, das Atmen fällt ihm schwer. Langsam steht er auf, und sie reicht ihm den Arm.
    Mark. Mark ist hier, weil er seine Blutdruckmedikamente nicht genommen hat. Er war zu sehr damit beschäftigt, Steaks zu essen und sich einen anzusaufen, als dass es ihn gekümmert hätte. Hat erst seine Leber eingebüßt und eine neue bekommen. Aber weil er dafür gesorgt hat, dass auch noch seine Nieren versagen, steht er jetzt auf der Warteliste.
    Und neulich wurde er als dringlicher eingestuft als ich.
    Ich bin mit Reflux zur Welt gekommen. Es bedeutet, dass die Harnröhrenklappe zwischen Niere und Blase nicht richtig schließt. Meine Mutter konnte mir die Windeln gar nicht schnell genug wechseln, weil ich so viel Urin produzierte. Ständig hatte ich Blasenentzündungen, dann Nierenentzündungen. Bis die Ärzte wussten, wo das Problem lag, war ich vier Jahre alt und eine Niere schon verkümmert. Der anderen erging es nicht viel besser, und sie versagte, als ich zwölf war. Meine Mutter war die erste Spenderin. Die Niere hielt zwölf Jahre. Die zweite kam von einem Toten, der das Kästchen auf seinem Führerschein angekreuzt hatte. Die hielt nur vier Jahre, bis mein Körper zu dem Schluss kam, dass es sich definitiv um einen Fremdkörper handelte. Seit acht Jahren gehe ich zur Dialyse.
    Im Grunde reinigt die Dialyse das Blut wie eine Niere. Über eine Vene wird man an eine Maschine angeschlossen, und das ganze Blut wird hindurchgepumpt und gefiltert. Es gibt verschiedene Arten der Dialyse, aber ich gehe zu der, die alle paar Tage durchgeführt wird. Man kann nachts oder tagsüber hingehen. Ich mache die Dialyse über Nacht, weil es einfacher ist und ich schlafen kann. Wenn man eine Behandlung auslässt, fühlt man sich, als hätte man eine Grippe, und das Gehirn arbeitet nicht mehr so gut. Stellt man die Dialyse ganz ein, versagen nach und nach sämtliche Organe, und man stirbt.
    Mehr als eine halbe Million Amerikaner geht zur Dialyse. Theoretisch kann man damit sehr lange überleben. Es hängt von den Begleitproblemen jedes Einzelnen ab. Im ersten Jahr der Behandlung sterben zwanzig Prozent der Dialysepatienten, die Hälfte davon während der ersten drei Monate. Diese Leute haben höchstwahrscheinlich noch mehr gesundheitliche Probleme wie Bluthochdruck oder Diabetes, deretwegen die Nieren überhaupt erst versagt haben. Infektionen sind ein weiteres Problem. Man hat praktisch kein Immunsystem mehr, sodass eine kleine Erkältung zur tödlichen Bedrohung werden kann.
    Die Wahrscheinlichkeit zu sterben wächst mit jedem Jahr, in dem man zur Dialyse geht. Im zweiten Jahr liegt die Überlebensrate bei vierundsechzig Prozent. Im fünften Jahr bei dreiunddreißig Prozent. Im zehnten Jahr fällt sie auf nur noch zehn Prozent.
    Ich nähere mich dem zehnten Jahr.
    Daher ist es lebenswichtig, dass ich so bald wie möglich eine neue Niere bekomme, aber es gibt einfach nicht genug davon. Die Menschen stehen nicht gerade Schlange, um Nieren zu spenden, wie sie es beim Blutspenden tun.
    Heute bin ich für einen Blutflusstest im Krankenhaus, um zu sehen, wie gut mein Blut durch eine neue Niere fließt. Die Ärzte wollen mir keine kostbare Niere geben und dann feststellen, dass sie eingeht, weil kein Blut hindurchfließt.
    Ich setze mich wieder auf meinen Platz im Wartezimmer. Dieselbe Schwester kommt, um mich abzuholen.
    Â»Sind Sie so weit, Miss Garner?« Schwester Sonya hat sich schon wieder umgewendet. Ich überlege einen Scherz, irgendwas, das sie zum Lachen bringt. Mir fällt nichts ein. Ich kenne Sonya seit fünf Jahren, aber noch nie hat sie über etwas anderes als über Blutdruck und Puls gesprochen.
    Scheiß drauf, denke ich, auf sie und Mark. Die sind mir egal. Ich schlurfe ihr hinterher und bin mir schmerzlich bewusst, dass mein Gang auch nicht besser aussieht als Marks, obwohl der mindestens dreißig Jahre älter
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