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Die letzten Tage der Solaren Welten

Die letzten Tage der Solaren Welten

Titel: Die letzten Tage der Solaren Welten
Autoren: Alfred Bekker
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Kapitel 1 – Rudenkos Sicht der Dinge
     
    Aus den persönlichen Aufzeichnungen
    von Admiral Gregor Rudenko, 2252;
    unveröffentlicht: { * }
     
    Anfangsnotiz von Gregor Rudenko:
    Diese Aufzeichnungen dürfen erst nach meinem Tod entschlüsselt werden. Jede Zuwiderhandlung verstößt gegen die Bundesgesetze zur Sicherung privater Datensätze und wird strafrechtlich verfolgt.
     
    Ich bin am Ziel. Zumindest wird man das vielleicht im Rückblick einmal so sehen können, wie ich hoffe. Aber was ist schon das Ziel? Das Ende einer Etappe, mehr nicht. Wir beginnen irgendwo, wir gehen irgendwo hin, und am Ende sind wir Staub. Man könnte diese Zeilen für das metaphysisch angehauchte Geständnis eines sehr depressiven Mannes halten, der sich der Vergeblichkeit seines Tuns und seiner lebenslangen Anstrengungen plötzlich bewusst wird.
    Das ist eine Seite meiner Persönlichkeit, die ich nicht nach außen dringen lasse. Selbst gegenüber engsten Vertrauten nicht. Ich könnte sonst den Nimbus eines Mannes der Tat nicht aufrechterhalten. Für die einen bin ich der hochbegabte Karrierist, für andere ein Karrierist, der durch unverhältnismäßig große Förderung geheimer Kreise so schnell an die Spitze gelangt ist. Die Wahrheit liegt irgendwo da draußen, in der Unbestimmtheit des interstellaren Raumes. Dazwischen eben. Nach außen hin habe ich eine Seite meines Selbst in den Vordergrund zu stellen. Eine Seite, die mich stark und entschlussfreudig erscheinen lässt. Je höher ich gestiegen bin, desto mehr gab es diese Notwendigkeit.
    Ich bin also am Ziel eines langen Planes. Ich übernehme das höchste Amt, dass der Bund der Solaren Welten zu vergeben hat.
    Ich zögere damit zu sagen, ich hätte die Macht übernommen, denn erstens ist die Verfassung der Solaren Welten nun einmal so beschaffen, dass die meiste Gewalt von den planetaren Mitgliedsregierungen ausgeht und sich die Kompetenzen des Bundes auf ein absolut lächerliches Maß beschränken müssen, das es allen meinen Vorgängern im Amt sehr schwer machte, ihre Aufgabe auch nur ansatzweise zu erfüllen. Gleichgültig, was Hans Benson oder Julio Ling auch politisch getrennt haben mag – dies traf selbst auf so starke politische Persönlichkeiten wie diese zu und stellt in meinen Augen eine der Kinderkrankheiten dieses Sternenreiches der Menschheit dar, das noch nicht einmal ein knappes halbes Jahrhundert existiert.
    Wie auch immer, wir werden unsere Geburtswehen rascher hinter uns bringen müssen, als dies vielleicht im Sinn der auf Eigenständigkeit bedachten Lokalpolitiker ist. Innerhalb der 100 Lichtjahre durchmessenden Raumkugel, die die Menschheit als ihr Territorium begreift, ist für soviel Eigenständigkeit vielleicht kein Platz. Dass sich diese so schwach organisierte Menschheit in den letzten zwei Jahrhunderten ihren Platz im Universum nicht nur erobern, sondern ihn auch halten und ausbauen und sich darüber hinaus auch noch technologisch beachtlich weiterentwickeln konnte, verdanken wir nur glücklichen Umständen und nicht dem politischen Geschick unserer jeweiligen Führungen – schon gar nicht der Effektivität unserer Organisationsformen, die wir auf politischer Ebene institutionalisiert haben.
    Im Jahr 2236 – also vor genau sechzehn Jahren – hatte ich schon einmal die Möglichkeit, die Macht – oder das, was der politische Laie dafür hält – zu bekommen.
    Jetzt, da die Wahlen zum Hohen Rat mich in die Lage versetzt haben, mich mit Hilfe einer ziemlich bunten Koalition zum Vorsitzenden wählen zu lassen, frage ich mich, ob ich die Chance damals nicht hätte ergreifen sollen. Vielleicht gefiel es mir damals nicht, die Macht durch einen Staatsstreich in die Hände gespielt zu bekommen. Auf jeden Fall wäre das Maß an Entscheidungsbefugnis ungleich höher gewesen als jenes, über das ich jetzt verfüge. Aber jetzt habe ich dafür das Volk auf meiner Seite, wie sich in den Wahlen gezeigt hat.
    Manche halten das für einen Vorteil, aber im Nachhinein frage ich mich, ob dieser Moment der absoluten Existenzkrise, die wir 2236 erlebten, nicht vielleicht doch ein günstiger Augenblick gewesen wäre, um eine Revolution von oben durchzuführen.
    Ich weiß, dass es sinnlos ist, verpassten Chancen nachzutrauern. Auch dann, wenn man gute Gründe dafür hatte, sie nicht zu nutzen.
    Was damals wirklich hinter den Kulissen ablief, ist dem Großteil der Menschheit bis heute nicht bekannt. Und das ist vielleicht auch gut so. Ich behaupte nicht, dass ich einen
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