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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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konnte ihn nur noch auslachen und ihn an das erinnern, was er war, ein Krüppel, ein Tier, das nicht sterben durfte, und das war doch alles, was er sich wünschte. Verrecken, krepieren, und sie ließen ihn nicht, und sie ließen ihn nicht und doch war das alles, was er sich wünschte, nur endlich, endlich elendig zu verrecken.
    Und als sich eine Gestalt näherte, die ihn nur ärgern konnte, nur stören, nur aufhalten, da fuhr er herum und nahm das Letzte, was noch im Schrank stand, es war eine alte Parfümflasche, Russisch Leder, und bevor die Gestalt noch einen Schritt näher kam, holte er aus und warf die Flasche mit aller Kraft nach ihr, traf sie am Schädel, die Gestalt ging mit einem gellenden Schrei zu Boden, stürzte mit dem Kopf gegen den Türrahmen und blieb blutend und besinnungslos liegen.
    Oh Kurtacker, was bist du Schwein!, schrie Nadjeschda, raste außer sich in das Zimmer und kippte mit aller Kraft den Rollstuhl um, so dass Kurtacker zu Boden fiel.
    Was du gemackt! Du kommst in Gefängnis! Schlimmer Kurtacker! Was bist du beese!
    Rosalinde, flüsterte Ivy. Rosalinde …
    Oh dio mio, sagte Gianna.
    Sie rannten zur blutenden Rosalinde und beugten sich über sie.
    Dann ging alles sehr schnell. Türen öffneten sich, Männer in Uniformen, Männer mit Tragbahren eilten herbei. Aus dem Treppenhaus stürmten Brucks und die Pflegedienstleitung, und der eine scheuchte die Alten weg und die andere bedeckte Shoushou Wollweber mit einer Jacke und der Dritte leuchtete Rosalinde in die Augen. Zwei grün Uniformierte stürmten in das Zimmer, rissen die Rolläden hoch und warfen sich auf Kurtacker, aber der schrie wie ein Tier, kämpfte auf dem Boden weiter, bespuckte die Polizisten und hob noch einmal die Nachttischschublade, um einem von ihnen die Nase zu zertrümmern, er hatte unmenschliche Kraft, übermenschliche Kraft und erst als es den Beamten gelang, ihn auf den Bauch zu wuchten und seine Hände auf den Rücken zu drehen, gelang es ihnen, ihn kampfunfähig zu machen und ihm die Handschellen umzulegen.
    Rosalinde, es tut mir so leid, es tut mir so leid, stammelte Ivy und die Tränen liefen ihm über die Wangen, er fasste Rosalindes Hand und drückte sie. Rosalinde trug eine Art Wattehelm und lag bereits festgeschnallt auf der Trage, der Arzt jagte ihr eine Kanüle in die Hand und hängte eine Infusion an. Dann schlug Rosalinde kurz die Augen auf.
    Schon gut, Ivy, schon gut. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Weißt du, ich wäre sowieso bald umgefallen.
    Oh Rosalinde, heulte Ivy. Tut dir was weh? Tut es sehr weh?
    Ich friere ein wenig. Und … ich habe wohl einen Dachschaden … Du musst jetzt viel arbeiten, Ivy, ja? Ich verlasse mich auf dich.
    Ist gut, Rosalinde, ich will alles tun! Ich bin der Erste, der kommt, und der Letzte, der geht!
    Und du kommst nie wieder zu spät, ja?
    Nie wieder, heulte Ivy. Nie wieder!
    Brucks kam dazu und sah wütend aus.
    Wer ist dafür verantwortlich?, fragte er drohend. Wer war das?? Wer hat diese Dame zum Kurtacker gebracht!?
    Shoushou Wollweber zeigte auf Ivy und Lotta.
    Die zwei da. Und ich kriege noch fünfzig Euro. Mit Schmerzensgeld: Hundert. Und das war das letzte Mal. Ich werde Ihrem Haus nicht mehr dienlich sein.
    Der Heimleiter griff nach seinem Portemonnaie und zahlte hundert Euro.
    Das hole ich mir von euch wieder. Verlasst euch drauf. Und außerdem:
    Ihr zwei seid gefeuert!
    Kurtacker aber wütete immer noch. Im Rollstuhl und mit Handschellen auf dem Rücken bäumte er sich immer wieder auf. Schäumte, blies, fluchte.
    Was? Was?, rief der eine Polizist und keuchte, während sie versuchten, ihn in den Fahrstuhl zu schieben.
    Kurtacker aber stemmte sich noch einmal in die Höhe. Er drehte sich zu ihnen um und schrie zitternd vor Wut:
    Das eine sage ich euch! Wenn ich endlich verreckt bin, wenn ich endlich endlich krepiert bin und wenn ich da oben hinkomme, wenn ich den Herrgott da oben sehe, ich sag es!!
    DANN WERDE ICH CHRISTUS NOCH MAL ANS KREUZ NAGELN!! DAS SCHWÖRE ICH!!!
    Die Fahrstuhltür schloss sich. Ein Summen erklang und schweren Seile ließen den Fahrstuhl nach unten gleiten.
    Niemand konnte sich rühren.
    Santa Lucia, Santa Monica, Madonna Santa, weinte Gianna.
    Aber kommt nie wieder, Herr Kurtacker, sagte Nadjeschda.
    Der Fahrstuhl kehrte zurück und die Tür öffnete sich wieder. Der Notarzt und die Sanitäter nahmen Rosalinde und Shoushou mit, die beide am Kopf bluteten.
    Alwis wackelte heran, Lotta krallte die Hände in den Kitteltaschen
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