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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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ganze Station voll im Griff und ich habe sogar alle geduscht und gewogen und sämtliche Kadexe für den nächsten Monat geheftet.
    Jetzt schien Rosalinde zu lächeln und sie zwinkerte.
    Das gut, gutt gearbeit, sagte Nadjeschda und schlug Ivy auf die Schulter.
    Wir abbe keine Gespenste mehr!, rief Gianna. Iste aus die Fenster gefloge. Komm ich in Kleiderkammer, iste weg. Atte Frieden gefunde. Vielleichte de Splitter von San Lorenzo. Auch de Padre Ludolfus atte geolfe! Und Tante Donna Lucia!
    Rosalinde räusperte sich und begann zu flüstern. Sofort beugten sich alle vor und Abdul fand, sie sollten Rosalinde in Ruhe lassen und sie nicht aufregen.
    Was wird aus dem Haus?, fragte sie undeutlich.
    Caritas, sagte Kevin lakonisch.
    Wie?
    Wir nix wissen, sagte Nadjeschda. Aber vielleicht nimmte Caritas oder Arbeiterwohlfahrt. Sie am Verhandeln. Haus pleite.
    Rosalinde nickte zufrieden und sank in ihre wollweiche Zufriedenheit zurück, Caritas oder AWO, die machten ihre Sache gut. Das wäre für alle das Beste. Sehr gut. Sie sah Abdul von der Seite an und lachte.
    Aber willst du wirklich in Pflege gehe, fragte Gianna Lotta. Wenn du gehst Pflege, das schwere Arbeit. Iche bin alte, iste egal. Aber du – Pflege so schwere Arbeit.
    Aber was, schwere Arbeit!, rief Nadjeschda. No wos! Ich gearbeit in Sibirien in Krankenhaus in Gäfängnis, wo Tuberkulose! Ich jede Nacht bei minus 40 Grad in Hof gegange, wo Haus voller Leiche und ich Krach gemacht, damit Ratte nicht fresst an Leichnam! Einmal ich war zu spät und Ratte hat Fuß gefresse, dann wir habe Watte gestopft in Socke, damit Angehörige nicht sieht!
    Das schwere Arbeit!
    Ivy hieb lachend auf das Bettende, so dass Rosalinde im Bett zu vibrieren begann.
    Ach Nadjeschda, du alter Soldat, die Nadjeschda, die hat immer stories!
    Nadjeschda aber ereiferte sich und rollte die Augen:
    Ganze Haus süchtig nach Kodein, was macht kleine Stäbchen von Tuberkolose in Hals nicht mehr platzen! Und dann: kommte keine Medikamente und ganze Haus, ganze Statione verruckt! Ganze Krankenhaus verruckt! Aalle Gefangene Entzug! Wenn das: DANN schwere Arbeit!
    Gianna schlug sich auf die Knie und lachte ein tiefes, kalabrisches Lachen, dass die Erde bebte.
    Ja, so gesehen …, murmelte Rosalinde lächelnd, ist es bei uns ja nicht so schlimm.
    Abdul aber hielt die Hand von Rosalinde und freute sich. Freute sich über die unfreiwillige Kur, die seine Frau erhalten hatte, und er freute sich auf das Frühjahr, wenn sie nach Marokko fuhren, in das Land, wo die Orangen blühten, wo die Feigen einem in den Mund wuchsen, wo die Sonne schwer und voll über das Land strahlte, da sollte auch Rosalinde neu erblühen, im Frühling, da wollten sie reisen. Wenn sie aus der Kur zurückkam. Abdul wünschte sich, dass Rosalinde nie wieder arbeiten ging. Mit 58 konnte man aufhören.
    Aber leider war sie offenbar eben wieder zu Verstand gekommen und das Denken war nicht gut für Rosalinde. Erschreckt hörte er sie fragen:
    Wie geht es Frau Wilhelm? Und denkt ihr auch daran, dass die Nahrung von Herrn Bellheim immer die richtige Temperatur hat? Und Frau Eulert braucht mehr Besuch … ihr müsst mal die Angehörigen anrufen …
    Das alles in Ordnung!, rief Nadjeschda streng. Du nicht denken! Du heilen! Sonst Gedanke stößt an Schädeldecke und dann neue Schmerzen!
    Das Sotzbacher Mädchen hat ein neues Gebiss!, rief Kevin, und sie isst jeden Tag drei Würstchen und wenn es Schweinsbraten gibt, dann haut sie rein …
    Ich habe Sarah erwischt!, rief Ivy! Sie war auf der Kirmes und ist Karussel gefahren und ich habe sie verpetzt und sie ist entlassen! Wir kriegen eine richtige Schwester dafür! Eine examinierte!
    Rosalinde hob freudig die Augenbrauen. Das war gut, das war wirklich gut.
    Lotta und Ivy waren nicht entlassen worden. Brucks wollte eben die Kündigung schreiben, als die Vertreter des Mutterhauses in Münster vorstellig geworden waren, um ihm, Herrn Brucks, die Kündigung zu überreichen. Des einen Freud, des andern Leid. So konnte es gehen.
    Rosalinde konnte es egal sein. Sie durfte erst einmal ausruhen, nur liegen, nur träumen, denn erst als man ihr beinahe den Schädel zerschlagen hatte, konnte sie eine Pause machen. Die Schwestern brachten ihr das Essen, sie halfen ihr bei der Toilette, sie machten ihr das Bett … Rosalinde wurde versorgt wie ein kleines Kind und sie spürte: es war eine Wohltat. Vergnügt und albern zwinkerte sie Abdul zu.
    Verliebt, sagte Ivy. Rosalinde ist verliebt in Abdul.
    Und du?,
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