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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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zusammen. Das Sotzbacher Mädchen schüttelte verständnislos den Kopf und Wickert winkte ab. Ivy ging mit bis in den Fahrstuhl, aber Nadjeschda zog ihn zurück.
    No, wos. Muss hierbleiben.
    Die Türen schlossen sich. Die Sanitäter, der Arzt, Shoushou und Rosalinde verschwanden.
    Schwester Rosalinde wurde mit Blaulicht und Martinshorn in die Notaufnahme der Universitätsklinik gebracht.
    Karl Kurtacker aber verschwand für immer hiner den Toren der Psychiatrie.

Das Mondlicht   fiel auf ein Glas voller Wein. Das Glas war blau wie die Nacht und schimmerte.
    Ach Ivy, sagte Lotta.
    Das habe ich nicht gewollt, sagte Ivy.
    Niemand hat das gewollt.
    Sie sahen über die Dächer der Stadt und die Dächer glänzten ebenso bläulich vom Mondlicht wie das Glas und wie die Wangen von Lotta und Ivy im Dachfenster.
    Trink, sagte Lotta.
    Ja. Was sonst.
    Ivy setzte das Glas an den Mund und trank es auf Ex. Dann trank Lotta. Und dann wieder Ivy. Lotta hatte nur ein einziges Glas und sie hatten es schon vierzehnmal benutzt.
    Aber sie wird es doch überleben … oder?
    Ich denke schon, sagte Ivy. Aber wenn sie bleibende Schäden hat …?
    Wir wissen es nicht. Wir müssen abwarten. Sollen wir denn jetzt morgen zur Arbeit gehen oder nicht? Der Brucks will uns doch nicht mehr sehen.
    Ivy ließ sich auf die Matratze sinken und zündete eine Kerze an.
    Ach, der Brucks. Der hat doch keine Ahnung. Wenn wir nicht kommen, bricht die Station zusammen, der hat doch bis dahin keine Aushilfe oder so. Ich gehe. Ich habe es Rosalinde versprochen. Auf meine Ehre. Auf ihr Leben sozusagen. Ich muss die Station retten.
    Aber wenn wir nicht bleiben dürfen? Was wird dann aus uns?
    Lotta ließ sich neben ihn auf die Matratze sinken.
    Ist doch egal, sagte Ivy und suchte nach der Flasche. Vielleicht gehe ich mal zu dem Brucks und dann sage ich: Brucks, hör mal … dieser ganze Laden hier … weißt du … der ganze Laden … der … also wenn ich hier was zu sagen hätte …
    Du hast ja gar nichts zu sagen, du bist gerade gefeuert worden.
    Vielleicht nimmt der das noch mal zurück. Wir wollten doch nur der ärmsten Sau aus dem ganzen Haus ein wenig Freude spendieren.
    Jetzt können wir die Dame auch noch selber bezahlen.
    Fünzig Euro ich, fünfzig du.
    Ach, ist mir auch egal.
    Ja, egal.
    Trink! Trink! Tanz! Komm, wir tanzen auf dem Dach!
    Ja wie, das geht doch gar nicht.
    Doch! Doch! Komm mit!
    Ivy stemmte sich hoch und ließ sich von Lotta ziehen.
    Ich dachte, da tanzt schon ein Gespenst.
    Ja, aber das tanzt nur in der Kleiderkammer. Ich habe es auch gar nicht mehr gesehen. Vielleicht ist es weg.
    Betrunken, mit der Flasche unter dem Arm suchten Ivy und Lotta polternd im Dach den Aufgang, den Gianna immer zum Rauchen benutzte.
    Der ist ja tatsächlich offen, sogar nachts, hickste Ivy.
    Ja ja. Geh du vor.
    Als sie oben standen, in der kleinen Ecke, umrahmt von geteerten Dachfensterhügeln und zwei Schornsteinen, da roch es frisch, der Dunst der Stadt blieb zu ihren Füßen, aber hier oben, unter dem Mond und über allen Häusern, war es hell und klar. Ivy legte den Arm um Lottas Hüfte und sagte:
    Los geht’s.
    Er klemmte sich eine Zigarette zwischen die Zähne und zog Lotta an sich.
    Wir haben ja gar keine Musik, sagte er. Wir müssen singen. Ich weiß schon: »Du … ich hab mich verlore, verlore an dich – du: ich bin neu gebore … neu gebore durch dich!«
    Lotta blieb stehen.
    Das stimmt ja gar nicht.
    Wie, das stimmt nicht?
    Das muss mehr so was sein wie Zarah Leander: – »Es ist ja ganz gleich, wen wir lieben«.
    Wir fallen gleich vom Dach.
    Ach was, da ist doch ein Geländer. Wir tanzen jetzt was Schönes!
    Sie wankten im Mondlicht und Lotta führte:
    Ihr Schwulen, ihr hört doch immer Tim Fischer:
    »Lalaalalaala, lalaala, lalaalaalaala …«
    Weiß ich nicht, sagte Ivy, ließ den Kopf auf Lottas Schulter sinken und räumte sich betrunken ihr Haar aus dem Gesicht. Lotta aber sang aus vollem Hals:
    Ich bin die Rinnsteinprinzessin, Gelegenheitsbraut,
    küss mir das taube Gefühl von der Haut,
    bist mein Prinz auf dem staubigen Pferd …
    morgen ist unser Palast nichts mehr wert.
    Lalalalalaala, lalaala, lalaalaalaalaa …
    Sie tanzten und tanzten, und Ivy sagte: Ja, der ist gut, der Tim Fischer.
    Ich bin doch für dich nur eine Gelegenheitsbraut, schwadronierte Lotta. Ich bin doch für dich nur ein Spiel!, und griff nach der Flasche.
    Ach Lotta, du bist ja gar keine Braut, du bist …
    Was?!, rief Lotta … was denn? Eine Gelegenheit?
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