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Die letzten Dinge - Roman

Die letzten Dinge - Roman

Titel: Die letzten Dinge - Roman
Autoren: Bastei Lübbe
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konnte es einfach nicht. Plötzlich kam eine dickliche Dame mit Pelz angestürmt, ein blaues Ungetüm um den Hals, es fiederte sich auf bei jedem Atemzug.
    Guten Morgen!, rief die Dame. Guten Morgen! Ich habe eben – per Zufall! Per Zufall!! beim Einkaufen erfahren, dass meine Tante in der Nacht verstorben ist. Und ich möchte wissen, weshalb man mich nicht informiert! Kann ich bitte wissen, ob meine Tante noch im Zimmer ist … oder wo?
    Rosalinde sah die dickliche Dame an.
    Die Frau Eisbrenner, ja, … die … die ist … leider schon im Keller …
    Kann ich dann bitte das Zimmer sehen?
    Rosalinde griff in die Tasche ihrer Kittelschürze und suchte nach dem dicken Knauf ihres Schlüsselbundes.
    Ja. Bitte. Kommen Sie mit.
    Sie schloss das Zimmer auf. Die Antiquitäten leuchteten, der Frankfurter Wellenschrank, die Gründerzeitkommode aus Schwaben und vor allem: dieser Schirmständer! Der Schirmständer. Nora packte den Schirmständer und hätte ihn am liebsten sofort mitgenommen.
    Dann fuhr sie herum und starrte Rosalinde an:
    Wo ist der Schmuck?
    Was für Schmuck?
    Meine Tante hat sehr schönen Schmuck besessen! Und den muss sie ja irgendwo deponiert haben, oder? Hat das Heim einen Safe oder so?
    Wollen Sie sich nicht erst einmal von Ihrer Tante verabschieden und ihr Lebewohl sagen? Sie ist schön aufgebahrt mit Blumen und allem.
    So, ja. Ach so. Natürlich. Es ist … nur, sehen Sie … unten steht ein Lieferwagen meiner Firma und es wäre sehr praktisch, wenn wir schon mal alles ausräumen, denn Sie brauchen ja auch das Zimmer, nicht? Und der Spediteur hat den Laster gerade frei. Die Männer könnten schnell mit anpacken.
    Rosalinde sah sie zögerlich an. Wer würde eigentlich erben? War es rechtens, wenn die Nichte alles mitnahm?
    Einen Augenblick, wir müssen das erst klären. Warten Sie bitte.
    Und sie drängte Nora Eisbrenner mit ihrem bebenden Blaufuchs sanft aus dem Zimmer und schloss dreimal ab.
    Am besten, sie rief noch mal den Schreiner an. Schließlich hatte sie bis jetzt alles mit ihm geklärt.
    Nora Eisbrenner aber war wütend. Sie hatte keine Zeit zu verlieren. Wenn Änne und Heribert und die anderen aufkreuzten, machten sie ihr womöglich noch den Schirmständer streitig. Und den Wellenschrank! Und vor allem – den Schmuck! Er musste doch da drin sein! Alte Leute bewahrten alles in Socken auf. Sie musste alle Socken an sich nehmen! Jedenfalls musste sie schneller sein als die anderen. Diese blöde Schwester. Hielt sie nur auf. Dabei war sie die leibliche Nichte. SIE – Nora Eisbrenner! Und sie malte sich aus, was sie mit dem Geschäft machen würde. Verkaufen oder alles auflösen? So ein Antiquitätengeschäft warf womöglich nicht mehr viel ab. Aber die Immobilie! Sie versuchte, auszurechnen, wie viel dabei herausspringen könnte. Erst einmal alles schätzen lassen. Wenn man dem Schätzer etwas in die Hand drückte, dann rechnete er so, dass sie, Nora Eisbrenner, jedenfalls nicht übervorteilt wurde von dem schlechten Heribert und der raffsüchtigen Änne.
    Ungeduldig tapste Nora Eisbrenner auf ihren Pumps umher. Wo blieb denn diese Schrulle? Mensch! Was gab es da überhaupt noch zu fragen? Was fiel der Schwester überhaupt ein, sie derart roh aus dem Zimmer zu werfen? Welch mangelnde Rücksichtnahme – Nora Eisbrenner war ja schließlich in Trauer!
    Da kam die Schwester. Sagte nichts, nickte nur und schloss langsam die Tür wieder auf.
    Bitte schön, nehmen Sie alles mit. Räumen Sie nur alles aus. Es ist wirklich gut, wenn das Zimmer bald wieder frei ist, dann können wir es herrichten.
    Nora Eisbrenner war verblüfft. So einfach hatte sie es sich auch wieder nicht vorgestellt. Keine Widerstände? Keine Verbote? Keine Unterschriften und Behördengänge? Sie konnte einfach alles …? Dann wollte sie schnell den Männern unten Bescheid sagen und die Socken untersuchen. Je schneller sie den Schmuck gefunden hatte, umso besser. Heute Nachmittag konnte sie der Tante ja noch ein paar Blumen an den Sarg stellen, machte vielleicht einen besseren Eindruck. Und der Pietät Bescheid sagen, oder so. Das konnte aber auch Heribert besorgen.
    Ja, mit wem haben Sie denn jetzt eigentlich gesprochen?, fragte Nora Eisbrenner.
    Mit dem netten Schreiner, sagte Rosalinde. Mit Herrn Siegmund Brecht. Der hat sich ja schließlich bis jetzt um alles gekümmert.
    Aber das ist doch nur der Angestellte!, rief Nora Eisbrenner und besann sich dann:
    Also, ich meine, das ist schon ein netter Kerl. Fleißig und so. Ich
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