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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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ich es beende. Weil alles andere zum Scheitern verurteilt war. Und weil sie alle es verdient hatten.«
    »Einen Wein?«, fragte der Professor. »Ich habe extra zwei Gläser bereitgestellt.«
    »Sie wussten, dass ich kommen würde. Sie wollten es.«
    »Aber natürlich.«
    »Warum? Ich könnte Sie jetzt töten. Das macht mir nichts mehr aus. Irgendwann ist es einem egal. Mir zumindest. Es ist wie bei einem Tier, das man schlachten muss.«
    »Aber Sie werden es nicht tun, oder?«
    »Nein.« Davide verstaute das Messer wieder in seiner Jacke.
    »Dann wird diese Sicherheitsvorkehrung auch nicht nötig sein.« Der Professor nickte, und Pit trat aus dem Schatten, seinen Colt Detective Special in der Hand. »Warten Sie bitte draußen auf uns.«
    Pit grunzte und ging an ihnen vorbei zur Tür.
    Der Professor wandte sich wieder Davide zu.
    »Also kein Wein? Schade. Heute will keiner mit mir trinken.«
    Er wunderte sich, wie unglaublich ruhig diese Worte über seine Lippen kamen. Als handelte es sich um ein ganz harmloses Gespräch unter Freunden. Der Professor kniete sich zu Benno und streichelte ihm den struppigen Kopf. Davide schien sich durch die scheinbare Normalität etwas zu beruhigen, seine Pupillen zuckten nicht mehr, sondern blieben, wo sie hingehörten.
    »Was macht Ihr Hund denn da?«
    »Er schläft. So tief hat er noch nie geschlummert. Ab und an jault er kurz und freudig auf. Vermutlich fängt er ein paar Hasen. Ich liebe Tiere, Sie auch, oder? Ja, das tun Sie. Sonst hätte es niemals glückliche Kühe im Stall Ihrer Opfer gegeben. Die Kühe waren eine der Spuren, die mich zu Ihnen führten. Ich stellte mir folgende Frage: Wer weiß, wie Rinder glücklich zu machen sind? Sicherlich kann heutzutage jeder über das Internet alles herausfinden. Doch wer würde überhaupt auf die Idee kommen, bei seinen Mordplänen Kühen Beachtung zu schenken? Glücklichen Kühen, meine ich. Denn die sind still, sie muhen nicht, sie warnen nicht. Jemand, der daran denkt, kennt die Natur der Rindviecher. Ein gebürtiger Städter tut das nicht. Für den sind Kühe nicht mehr als Einrichtungsgegenstände, und das Glück eines Rinds ist ihm so egal wie das Seelenheil einer Nachttischkommode. Der Täter musste also vom Land stammen, ja, noch mehr, er musste mit Tieren zu tun gehabt haben oder immer noch zu tun haben. Ich hoffe, es stört Sie nicht, wenn ich etwas trinke.«
    »Machen Sie ruhig.«
    Bietigheim goss sich ein Glas ein. »Erzählen Sie mir, was genau Sie mit den Kühen gemacht haben? Alkohol kann es meiner … Erfahrung nach nicht gewesen sein.«
    Davide zog einen Hocker heran und setzte sich langsam darauf. Er sah den Professor eine Weile an, bevor er antwortete. Ihm schien klar zu sein, dass es keinen Sinn mehr machte, irgendetwas zurückzuhalten. Und er schien sogar erleichtert, endlich alles herauslassen zu können.
    »Ich musste an meine Opfer herankommen, ohne dass sie mich bemerkten. Im Kuhstall, da fühlen wir Käser uns alle sicher, weil die Tiere unruhig werden, wenn sich ein Fremder nähert. Das merkt man sofort. Also habe ich mich in die Ställe geschlichen und das Vertrauen der Kühe gewonnen.« Es schien Davide unangenehm zu sein, weiterzuerzählen.
    »Wie?«
    Er fuhr sich durch die Haare. »Eine Massage, am Euter, mein Vater hat sie mir beigebracht. Die Tiere lieben das, danach schnurren sie wie die Kätzchen.«
    »Das war Ihr allererster Fehler.«
    »Kann sein.«
    »Und? Haben die Morde Ihren Vater zurückgebracht?«
    Davide schien nicht überrascht, dass der Professor den Grund für seine Taten kannte. Ihn schien überhaupt nichts mehr zu überraschen.
    »Nein, aber ich weiß, dass er stolz auf mich wäre. Die Käserei war sein Ein und Alles. Gebettelt hat er, dass sie ihn in ihre Gruppe aufnehmen. Sie wussten, dass er kaum noch Geld hatte, dass er sie brauchte. Doch die haben ihn nur ausgelacht, den stinkenden Korsen mit seinem Maden- und Milbenkäse.«
    »Korsen sind ja nur Pack, überheblich, arbeitsscheu, ewig undankbar und unzufrieden. Frankreich investiert in Korsika mehr als in jede andere Region, und dann beißen sie in die Hand, die sie füttert.«
    »Das steckte dahinter, ja. Und so etwas sagen sie einem so stolzen Mann wie meinem Vater. Da hat er keinen Ausweg mehr gesehen und sich umgebracht. Jetzt möchte ich doch ein Glas Wein.«
    Der Professor füllte ihm eines. »Die Mitgliedschaft in diesem elitären Kreis hätte bares Geld bedeutet. Wissen Sie, wann mir das klar wurde? Als Hervé Picard auf
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