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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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grinste breit.
    »Recht hast du. Was ich euch zu sagen habe, ist Folgendes: Ich bin gleich fort, wieder mit meinem Rad unterwegs. Vorher möchte ich einfach nur sichergehen, dass an alles gedacht ist. Dass es euch auch wirklich gut geht.«
    »Du wirst weich. Das macht das Alter, was?«
    Jan boxte ihn gegen die Schulter. Das mochte der Professor nicht sonderlich, doch er sagte nichts. »Es geht mich zwar nichts an«, wandte er sich an Béatrice, »aber was geschieht mit Ihrem Weingut?«
    »Ich habe es verpachtet. Im Burgund verkaufen wir nämlich kein Land. Mit einem Teil der Pacht tilge ich meine Schulden, und den Rest nutzen wir, um uns hier etwas aufzubauen.«
    »Es klingt, als wärt ihr gut gerüstet für dieses Abenteuer.«
    »Und verrückt genug«, sagte Jan und gab Béatrice einen langen, sehr langen Kuss.
    Bietigheim hörte, wie vor dem Haus ein Wagen hielt. Er stieg die Steintreppe empor und trat leise zu Davide auf die Terrasse.
    »Sie sind da.«
    Davide bewegte sich nicht. »Was macht eigentlich Pit?«
    Das fragte er jetzt? Wo ihm gleich die Handschellen angelegt wurden?
    »Er fährt wieder Taxi. Der Hamburger Streik ist beendet. Na ja, er hat ihn beendet. Es war ja sein ganz privater.«
    »Können Sie ihm bitte noch ausrichten, dass es mir sehr leid tut, ihn vergiftet zu haben? Damals im Le Chalet bleu in Autun. Ich hatte einfach Panik, als ich hörte, wie er wegen dem Vacherin d'Epoigey nachbohrte. Da wurde mir klar, dass er den Mörder finden will. Ich saß auch im Restaurant, keine zwei Tische weiter. Im Vorbeigehen hab ich ihm dann ein Stück Käse mit Listerien auf den Teller gelegt, das hatte ich noch bei mir, als Erinnerung an meinen Fehlschlag. Er hat es ohne mit der Wimper zu zucken verputzt.«
    Der junge Käser drehte sich um. »Ich bin froh, dass alles vorbei ist. Und dass Sie mich zuerst gefunden haben und nicht die.«
    Mit einem Mal drang die Polizei durch die Tür, verlas Davide seine Rechte und legte ihm Handschellen an.
    Er sagte nur noch einen Satz im Hinausgehen, an Béatrice und Jan gewandt. »Bringt mir bitte ab und an einen Käse, ja? Ich will seinen Geschmack doch nicht vergessen.«
    Nachdem Davide fort war, schwiegen alle im Haus, selbst beim Mittagessen. Der Professor fand als Erster die Sprache wieder und fragte, ob jemand Benno gesehen habe. Doch der kleine Foxterrier war den ganzen Tag noch nicht aufgetaucht. Es stellte sich heraus, dass er bereits im Fahrradkörbchen saß und erwartungsvoll daraus hervorblickte. Auch er wollte wieder auf die Piste. Der Professor strich ihm liebevoll über den struppigen Kopf. Bietigheim mochte keine Verabschiedungen, das hatte er Béatrice und Jan bereits zu verstehen gegeben. Die beiden werkelten in der Käserei vor sich hin. Er winkte kurz aus dem Türrahmen, presste die Lippen zusammen, atmete tief durch, griff sich seine Jacke und ging in Richtung Fahrrad. Erst im Hinausgehen bemerkte er, dass auf dem Küchentisch etwas für ihn lag. Die zweite Post, seit er in Korsika weilte.
    Die erste war ein offizieller Brief aus England gewesen, den Rena an ihn weitergeleitet hatte. Cambridge bot ihm eine Gastprofessur am Lehrstuhl für Kulinaristik an. Doch das reizte ihn nicht. Tradition hin oder her, mit seinem geliebten Hamburg konnte dieses kleine Örtchen nordöstlich von London keineswegs mithalten.
    Die heutige Post hatte ihm Hildegard von Trömmsen geschickt, das erkannte er an den schwungvollen Buchstaben auf dem großen Umschlag, die aussahen wie eine Jugendstil-Malerei. Im Inneren steckte eine Ausgabe des Daily Telegraph. Auf der Titelseite war ein Punting-Boot zu sehen, das führerlos auf dem Fluss Cam trieb. Darin lag ein Mann, die Arme über dem Brustkorb gekreuzt. Eine idyllische Szene, die Sonne schien, das Wasser war blau. Postkartenmotiv. Erst bei genauer Betrachtung war zu erkennen, dass der Mann in einer Flüssigkeit lag. Komplett. Die Bildunterschrift verriet, was es damit auf sich hatte. Er war ertrunken. Im Boot. Und zwar nicht in Wasser. Die Schaluppe war mit einer wertvolleren Flüssigkeit gefüllt: Kostbarer Darjeeling White Tea, der nur aus silbrig glänzenden Knospen gewonnen wurde. Nach Aussage der Zeitung gekonnt zubereitet. Und der so formvollendet aufgebrühte Mann war kein Geringerer als der bisherige Inhaber des Lehrstuhls für Kulinaristik.
    Die Polizei hatte keine Spur vom Täter.
    Man stand vor einem Rätsel.
    Und wie sich herausstellte, war der Vorgänger des Toten ein Jahr zuvor ebenfalls ermordet worden.
    Auf die
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