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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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machen. Die Arbeit war getan – wenn auch nicht ganz. Der Schlussakkord fehlte noch. Doch bis jetzt war das Finale viel besser gelaufen als erwartet. Frombel hatte auf den Erlös des Käseigel-Verkaufs einen Batzen Geld gelegt, sodass man sich nun statt einer Plakette eine Statue leisten konnte. Und zwar nach Vorbild von Gérards Streichholzskulptur, die der Professor dem Bürgermeister kurz entschlossen gezeigt hatte. Der alte Cassis-Bauer hatte Bietigheim ausgeschimpft, das sei unerlaubtes Eindringen in seine Privatsphäre, eine Unverschämtheit und vermutlich Hausfriedensbruch. Doch als der Bürgermeister Applaus geklatscht hatte, war er ganz still geworden. Und jetzt war Gérard dabei, seine Skulptur zu perfektionieren, bevor eine Abgussform erstellt werden konnte. Er war sehr stolz, hatte es jedoch mit keinem Wort zugegeben.
    Das Geräusch schlappender Sandalen näherte sich, und Béatrice nahm neben ihm auf dem Boden der Steinterrasse Platz. Der Professor hob zur Begrüßung kurz seinen Strohhut. »Und? Gefällt es Ihnen hier noch?«
    Béatrice lehnte ihren Kopf an seine Schulter. »Wem es hier nicht gefällt, der muss erst noch geboren werden.«
    Nein, dachte Bietigheim. Der sitzt direkt neben Ihnen. Er hatte es Béatrice noch nicht gesagt, doch nach dem Mittagessen würde er aufbrechen und seine »Tour de Fromage« fortsetzen. Hier auf Korsika. Es wäre schön, wieder einmal ein paar Käser zu treffen, die nicht ermordet worden waren. Einfach zur Abwechslung.
    »Was macht Jan?«, fragte er.
    »Streichelt Käse. Er ist ein guter Streichler.« Sie lächelte anzüglich.
    Der Professor beschloss, nicht darauf einzugehen. »Und Sie sind sich sicher?«
    »Dass er ein guter Streichler ist? Oh, ja!«
    »Nein, dass Sie hierbleiben möchten.«
    »Da war ich mir vom ersten Tag an sicher. Und Jan auch. Wenn man endlich am richtigen Ort ist, spürt man das. Ich habe das früher nicht geglaubt.«
    Davide Aleppo erschien in der Terrassentür, seine Stirn in Sorgenfalten. »Ist es gleich so weit?«
    »Wie abgesprochen«, antwortete der Professor. »Ich habe bereits angerufen, sie werden gleich eintreffen.«
    »Habe ich einen letzten Wunsch?«
    Der Professor sah ihn an. »Seien Sie nicht undankbar! Jeder außer mir hätte Sie sofort der Polizei übergeben.«
    »Ich möchte nur noch einmal die Aussicht genießen. Von hier. Ganz allein. Bis Sie mich abholen. Schauen Sie nicht so, ich werde nicht fliehen.«
    Béatrice legte ihre Hand auf Bietigheims. »Gönnen Sie ihm den Moment.«
    Die beiden ließen ihn im glühenden Licht der Mittagssonne allein.
    »Er wirkt erleichtert«, sagte Béatrice im kühlen Inneren des weißen Hauses. »Obwohl er gleich ins Gefängnis geht. Und das für immer.«
    »Weil er seine Käserei in guten Händen weiß. Immerhin hatte er zwei Wochen Zeit, Ihnen und Jan alles beizubringen.«
    Sie gingen hinunter in die Käserei. Jan hatte ein neues Regal für die Milbenschalen gezimmert, sodass sich nun mehr davon unterbringen ließen.
    Der Professor klopfte dagegen. Es hielt. »Sieht aus, als wäre es dir wirklich ernst.«
    »Zum hundertsten Mal: Ich bin durch mit dem Journalismus. Glaub mir endlich! Jetzt bin ich Käser. Na gut, vielleicht schreibe ich hier und da etwas für die lokale Presse oder mal eine Reportage für ein Reisemagazin, Kleinigkeiten. Doch in der Hauptsache arbeite ich ab jetzt mit meinen Händen und schalte den Kopf dabei aus. Und Béatrice übernimmt die Tiere, das war ohnehin ihr Traum.«
    Der Professor nickte. »Ihr macht Davide glücklich. So wird sein Käse nicht sterben, und der war schließlich das Lebenswerk seines Vaters.« Aber auch den Professor machten die beiden glücklich, denn dadurch wurde dieser außergewöhnliche Teil der europäischen Käsekultur fortgeführt. Und der Gerechtigkeit wäre in wenigen Minuten trotzdem Genüge getan.
    Adalbert Bietigheim nahm sich ein Stück des Milbenkäses. »Ist das einer von deinen, Jan?«
    »Ja, meine erste Produktion. Aber noch viel zu jung.«
    »Sieht gut aus. Hoffentlich fressen die korsischen Mäuse ihn dir nicht weg.«
    »Ach, was. Davides Katze ist eine hervorragende Mäusejägerin.«
    Benno von Saber dagegen war völlig unbrauchbar für die Mäusejagd. Dafür war er sehr begabt darin, andere Hunde in den Gassen Olettas zu finden, mit denen er um die Wette rennen konnte.
    »Du hast doch etwas auf dem Herzen«, sagte Jan. »Das merke ich, du bist so still. Wir haben heute noch gar keinen Vortrag von dir zu hören bekommen.« Er
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