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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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junge Talente umschwenkte. Auch Ihr Käse fand sich plötzlich in seiner Auslage. Ich vermute, er wollte mit allen Käsern Geschäfte eingehen, die von dem Zirkel abgelehnt wurden, gut Wetter machen. Weil er zu Recht davon ausging, dass sich unter diesen der Mörder befand. Hat ihm das sein Leben gerettet?«
    »Ich wollte nur die Käser büßen lassen. Das sind Kollegen, und unter Kollegen sollte man sich doch helfen!«
    »Es waren Kollegen – und Konkurrenten. Eine schlimmere Mischung gibt es nicht. Glauben Sie mir, ich arbeite an der Universität Hamburg.«
    Davide nahm einen großen Schluck. »Ich kann Sie gut leiden, Professor. Sie haben sich für meine Käserei ins Zeug gelegt. Sie sind ein guter Mensch.«
    »Trotzdem haben Sie versucht, mich im Weinberg zu töten.«
    »Ich wollte Ihnen Angst einjagen, mehr nicht. Es sollten keine Unschuldigen sterben.«
    »Sie haben meinen Hund getreten. Das verzeihe ich Ihnen nie.«
    »Es tut mir leid! Aber er sah so wild aus. Ich hatte einfach Angst.«
    »Vor einem Foxterrier ?« Doch der Professor wusste, wie furchteinflößend Benno wirken konnte, wenn er wie ein Geschoss aus Pranken und Zähnen auf einen zujagte.
    »Ich bin froh, dass es ihm wieder gut geht. Es geht ihm doch wieder gut?«
    »Ja, aber das hat mich einige teure Würste gekostet.«
    Davide blickte auf. »Ich habe danach nicht wieder versucht, Sie einzuschüchtern.«
    »Das stimmt. Stattdessen wollten Sie mich auf eine falsche Fährte locken, indem Sie einen Mordanschlag auf sich selbst inszenierten. Doch dieser hat Sie nur verdächtig gemacht. Denn es war der einzige, der merkwürdigerweise schiefging. Und dann äußerten Sie auch noch die Vermutung, Ihr Vater sei damals bereits umgebracht worden. Sehr dick aufgetragen. Sie fühlten sich in die Enge getrieben.«
    »Ich lebe in der Enge, Professor. Ich kenne es gar nicht mehr anders.«
    Bietigheim ermahnte sich, nicht zu vergessen, dass vor ihm ein eiskalter Mörder saß. So besonnen Davide sprach, so einsichtig er nun erschien, dieser junge Mann war ein Killer. Doch nicht nur er hatte Schuld auf sich geladen.
    »Ich mache mir Vorwürfe, Davide. Hätte ich Sie vor dem 1. Juli nicht angerufen und auf das Treffen des Käsezirkels in Camembert hingewiesen, wäre Égly Ouriets Arm heute noch unversehrt. Sie wollten sie alle erwischen, alle auf einmal, oder?«
    »Dann wäre es zu Ende gewesen. Und ich hätte weiterleben können. Und alles vergessen.«
    »So etwas vergisst man nie. Ein Mord verändert einen Menschen. Man sagt, dabei stirbt immer auch etwas in einem selbst. Ist bei Ihnen auch etwas gestorben?«
    Davide zuckte mit den Schultern. »Nachdem mein Vater sich umgebracht hat, war eh nicht mehr viel übrig.«
    »Aber wenn Sie es nur aus Rache getan haben, warum dann dieser ganze Aufwand? Warum das Paraffin bei Vesnin? Warum das Köpfen von Selles?«
    »Das war überhebliches Pack, Professor. Die hielten sich alle für was Besseres. Ich wollte, dass sie an ihrem eigenen Stolz draufgehen. Wie toll ist das denn, wenn einem Käse die Spitze fehlt? Aber Christophe tat so, als mache das seinen öden Mist zu einem König unter den Käsen! Und Vesnins Paraffinhülle, wie die Robe eines Bischofs. Blödes Plastik ist das, sollten alle sehen, wie lächerlich es aussieht. Bei der Poincaré gab es nichts, nur ihre Messer, auf die war sie immer irrsinnig stolz. Also hat sie eins ins Herz bekommen. Und Schluss.«
    Der Professor füllte sein Glas nach. »Und das war – chronologisch gesehen – der zweite Hinweis auf Sie. Das Messer wurde durch den Rücken ins Herz gestoßen. Es gab nur einen einzigen Einstich. Der Täter wusste also, was er tat. Damals dachte ich an einen Arzt, aber ein gelernter Metzger wie Sie kann genauso gut, wenn nicht sogar besser, mit einem Messer umgehen. Und auch wenn ein Mensch kein Rind und kein Schwein ist, wo das Herz liegt, das weiß man.«
    »Es ging ganz schnell. Bei allen.«
    »Das macht es nicht besser.«
    »Nein.«
    Dann ließ der Professor ihn schweigen. Und nach einiger Zeit brachen immer mehr Worte aus Davide hervor, zusammen mit Tränen. Es musste alles heraus, wie bei einer Eiterbeule. Erst dann konnte die Gesundung beginnen.
    Nicht mehr allerdings bei Davides Opfern.
    Bevor sie den Keller verließen, sagte Davide noch einen letzten Satz.
    »Was wird denn jetzt aus meiner Käserei?«
    Eine gute Frage, dachte der Professor.
    Eine unheimlich gute Frage.

EPILOG
    Der Libeccio wehte dem Professor um die Nase und dieser ließ ihn
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