Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
Vom Netzwerk:
ich auch nicht. Aber ich habe nichts damit zu tun.«
    »Und obwohl der Täter im Burgund weilte – die Morde an Madeleine Poincaré und Jean-François Vesnin belegen es –, lässt er Sie ungeschoren und reist stattdessen ins weit entfernte Korsika und an die Loire.«
    »Meinen Sie, das hätte mich nicht auch gewundert? Wahrscheinlich hat er mich verschont, weil ich nur ein Affineur bin, kein Käser.«
    »Ein Glas Wein? Ich habe extra welchen hier.«
    »Mir ist überhaupt nicht nach Trinken zumute. Und schon gar nicht mit Ihnen. Wenn Sie mich noch einmal beschuldigen, ob in einem Lied oder sonst wie, hören Sie von meinem Anwalt.«
    »Das wird nicht passieren.«
    »Weil Sie mich jetzt an die Polizei ausliefern?«
    »Seien Sie nicht albern, Monsieur Picard. Sie sind nicht der Mörder. Und jetzt gehen Sie, ich habe hier noch zu tun. Auf Wiedersehen.«
    »Aber …?«
    Picard war völlig perplex. Der richtige Moment, um ihm eine letzte Frage zu stellen. Oder besser: um ihm etwas auf den Kopf zuzusagen.
    »Eine Sache noch. Damals, als Sie mich im Keller vergaßen, da haben Sie mit dem Chef Ihres Käsezirkels telefoniert, nicht wahr? Haben ihm vom Mord an Madeleine Poincaré erzählt. Und er hat Sie direkt zu sich bestellt. Das passte Ihnen gut in den Kram, denn Sie wollten ohnehin aus der Schusslinie, hatten Angst, dass Sie der Nächste sein könnten. Deshalb blieben Sie auch so lange in Deckung und veränderten Ihr Aussehen. Habe ich recht?« Picard antwortete nicht, doch sein Gesicht verriet, dass der Professor ins Schwarze getroffen hatte.
    »Dachte ich mir. Sie wissen ja, wo die Tür ist. Und machen Sie sich keine Sorgen, bald kehrt wieder Ruhe ein. Starren Sie mich nicht an wie ein aufgescheuchtes Huhn, gehen Sie.«
    Kopfschüttelnd tat Hervé Picard genau das.
    Die kleine Partie Katz-und-Maus war beendet. Sie hatte Bietigheims Laune gehoben. Doch nun wartete das Endspiel. Das Schlimmste wäre, wenn der wirkliche Mörder sich gar nicht blicken ließe. Doch nach weiteren vier Minuten wusste er, dass dies nicht geschehen würde. Der Professor hatte ihn zwar weder kommen gehört noch gesehen, doch nun spürte er ihn hinter sich stehen.
    »Sie haben draußen gewartet, bis Picard weg war. So ist es, oder?«
    »Ja.«
    »Weil Sie mich allein sprechen wollen.«
    »Eigentlich gibt es nichts mehr zu besprechen.«
    »Und trotzdem sind Sie hier. Möchten Sie wissen, wie ich auf Sie gekommen bin?«
    Der Professor drehte sich um und sah dem jungen korsischen Käser ohne Zögern in die Augen. Davide schien unschlüssig, wie es weitergehen würde. Wie in der Millisekunde Schwerelosigkeit während eines Sprungs. Weiter nach oben oder doch bereits nach unten?
    »Wie sind Sie auf mich gekommen?«
    »Der Käse in den Mündern der Toten. Sie wollten gefasst werden.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Alter Käse mit Brot, das ist der polizeiliche Stand der Ermittlungen. Doch es war Ihr lange gereifter Milbenkäse mit Roggenmehl. Das wurde mir erst klar, als ich dank einer Kuh namens Marie Antoinette ein paar Krümel sah. Doch schon vorher verdichteten sich die Hinweise. Warum haben Sie den Leichen Ihren Käse in den Mund gelegt?«
    Davide wich ein paar Schritte zurück und zog ein Käsemesser aus seiner Jackentasche. »Ein Rabe saß auf einem Baum und hielt im Schnabel einen Käse. Da kam ein Fuchs daher, der vom Duft des Käses angelockt worden war. "Guten Tag, Herr Rabe!", rief der Fuchs. "Wie wunderbar Sie aussehen! Wenn Ihr Gesang ebenso schön ist wie Ihr Gefieder, dann sind Sie der Schönste von allen hier im Walde!" Das schmeichelte dem Raben. Um seine schöne Stimme zu zeigen, machte er den Schnabel weit auf – da fiel der Käse hinunter. Der Fuchs schnappte ihn sich und sagte: "Ein Schmeichler lebt auf Kosten dessen, der ihn anhört – diese Lehre ist mit einem Käse wohl nicht zu teuer bezahlt."« Ein schüchternes Lächeln umspielte Davides Lippen. »Auch Angeber leben auf Kosten derer, die ihnen zuhören. Also habe ich die Rechnung beglichen. Und ihnen gleichzeitig ihr Schandmaul gestopft.« Er presste die Lippen aufeinander. »Zuerst wollte ich nur ihre Käsereien zerstören, indem ich Bakterien einschleuste. Aber was passierte, als ich es bei Madeleine Poincaré machte? Sie merkte es, vernichtete die Charge und erhöhte die Preise. Sie verdiente dank mir sogar noch mehr Geld! Das Schicksal verhöhnte mich. Und das hat mich unglaublich wütend gemacht. Ich begriff, dass ich den ganzen Weg gehen musste. Ihr Leben zerstören, indem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher