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Die letzte Reifung

Die letzte Reifung

Titel: Die letzte Reifung
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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den Erlös ebenfalls. Da vom Käseigel noch nicht gegessen werden konnte, hielten sich die Menschen nun in deren Nähe auf. Die Meute war mittlerweile so gut gelaunt, dass Jan fürchtete, sie würden sich jeden Moment gegenseitig die Kleider vom Leib reißen.
    Jans Aufgabe war es, die VIPs beisammenzuhalten – die »Verdächtigen im Professorenkopf«. Sie standen rechts vom Igel, der Studentenchor dagegen links. Adalbert hatte dafür gesorgt, dass die VIPs während der gesamten Veranstaltung gefilmt wurden. Vielleicht ließ sich während des Liedes in ihren Gesichtern ablesen, wer der Mörder war – falls Adalbert selbst nicht mehr leben sollte, um dies aufzudecken. Der Professor hatte nicht gelächelt, als er dies erklärte.
    Aber wo steckte er bloß?
    Jan sah sich um, auch Rena schien nach ihm zu suchen. Sie war ja nett, aber solch eine geballte Portion Fröhlichkeit war auf Dauer nicht zu ertragen. Wie hielt ihre Gesichtsmuskulatur das ständige Lächeln nur aus? Und es war noch nicht einmal aufgesetzt, das war das Unheimliche.
    »Müsste es nicht gleich losgehen?« Béatrice hob ihre Armbanduhr, damit er das Ziffernblatt sehen konnte. In zwei Minuten war Beginn. Ob der Mörder Adalbert vielleicht bereits …? Er traute sich nicht, diesen Gedanken zum logischen Ende zu bringen.
    Doch da tauchte der Professor auf, und ein Augenpaar nach dem anderen richtete sich auf ihn, während er, gefolgt vom Bürgermeister, aus einer der mobilen Toiletten trat. Was hatten die beiden Männer zusammen auf der Toilette getrieben?
    Wollte er das wirklich wissen? Ganz ehrlich?
    Nein. Lieber dumm sterben.
    Strammen Schrittes kam Adalbert zum Podium, ging die Treppe hinauf und griff sich das Mikrofon.
    »Einen wunderschönen guten Morgen, meine sehr verehrten Herrschaften. Ohne viel Gerede, denn so ist es meine Art, direkt zum Wichtigsten. Wir möchten heute Madeleine Poincaré ehren, indem wir einen Käseigel enthüllen, wie die Welt noch keinen gesehen hat. Selbstverständlich gekrönt mit einem Stück Vacherin d'Epoigey. Dazu darf ich ganz besondere Gäste begrüßen …« Er zählte sie alle auf und endete mit Pierre Roux, dem Erzbischof von Clermont, der den Käseigel sogleich segnen durfte. Danach trat der Notar vom Guinness Buch der Rekorde auf die Bühne. Das rote Tuch wurde heruntergezogen, was wegen der vielen Spieße länger dauerte als geplant, der Jurist vermaß das Wunderwerk und zählte mit Hilfe von drei Adjutanten die Zahnstocher. Kurz darauf verkündete er, dass dies ohne Zweifel das größte Party-Gedeck seiner Art sei. Jubel brandete auf.
    Danach griff sich Bietigheim wieder das Mikrofon.
    »Bevor der Käseigel zur Verspeisung freigegeben wird, gibt der Chor des kulinarischen Lehrstuhls der Universität Hamburg ein Lied zum Besten, das ich extra für die so tragisch ums Leben gekommene Madame Poincaré und ihren Käse komponiert und getextet habe. Meine Herren, meine Damen, ich darf bitten.«
    Er zückte einen Taktstock und stellte sich vor die Truppe, die dem Anlass entsprechend in dunkle Hosen und weiße Hemden gekleidet war. Nach einem kurzen Räuspern des Professors ging es los. Was folgte, war weniger ein Lied als eine Käsesymphonie, denn der Professor hatte es einfach nicht geschafft, sich an ein einheitliches Reimschema zu halten.
    Es gibt eine Art Käse, für die braucht man keine Reibe
    Man schneidet ihn auch niemals ab als dünne Scheibe
    Es ist mehr ein Gedicht als ein Käse
    Und niemals isst man ihn mit Mayonnaise
    Vacherin d'Epoigey du bist ein Fest für Aug und Mund
    Wie kein anderer im Burgund!
    Aus Kuhmilch bist du rund geboren
    Ich hab dich für mich auserkoren
    Der besondere Clou war, dass einige Studenten als Rhythmus-Gruppe fungierten und Tiergeräusche (Schaf, Kuh, Ziege) von sich gaben. Man hatte sich auf »Määäh, Määäh, Muh, Muh, Bääääh!« geeinigt. Das heißt, der Professor hatte sich darauf geeinigt. Mit sich selbst.
    Du reifst wie Liebe oder Hass
    Gegen dich sind alle andern blass
    Du triffst mich mitten ins Herz hinein
    Dafür brauchst du keinen Waffenschein
    (Refrain)
    Ein Anruf und du kommst gleich ins Käseparadies
    Nur wenn man sagt, du stinkst, dann wirst du bös
    Einen Käse wie dich steckt man gern in Münder
    Der macht selbst Tote wieder gesünder!
    (Zwei Mal Refrain)
    Die letzte Strophe fand Jan etwas surreal, doch Adalbert hatte ihm versichert, alles ergebe einen Sinn. Zumindest für den Mörder.
    Zur Überraschung aller tauchte Benno von Saber plötzlich auf dem
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