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Das Testament des Satans

Das Testament des Satans

Titel: Das Testament des Satans
Autoren: Barbara Goldstein
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    Seit hundert Jahren tobt ein erbitterter Krieg zwischen England und Frankreich. Der König von England herrscht über ein Drittel Frankreichs, den Südwesten und den Nordosten. Nach der Schlacht von Azincourt, wo das französische Heer 1415 vernichtet wird, erobern die Engländer die gesamte Normandie – bis auf den Mont-Saint-Michel.
    Nach der Unterzeichnung des Vertrages von Troyes trägt der englische König auch die Krone von Frankreich. Der Dauphin Charles ist entmachtet. Der Abt des Mont-Saint-Michel, Robert Jolivet, begibt sich 1420 nach Rouen in die Normandie, um sich dem englischen König zu unterwerfen. Die Mönche der Abtei halten jedoch dem Dauphin die Treue und bezeichnen ihren Abt als Verräter.
    Pilgerfahrten zum Mont werden von der Besatzungsmacht untersagt. 1424 beginnen gleichzeitig eine Belagerung durch die englischen Garnisonen von der Küste aus und eine Seeblockade mit zwanzig Schiffen. Der Erzengel Michael und sein Sanktuarium auf dem Mont-Saint-Michel werden zu einem Symbol des französischen Widerstands gegen die Engländer.
    Ein Jahr später ernennt der Dauphin Louis d’Estouteville zum Kommandanten des Mont. Mit seinen hundertneunzehn Rittern hält er den englischen Angriffen jahrelang stand. Trotz der Belagerung ist es möglich, den Mont bei Ebbe zu betreten und zu verlassen, weil die Flut mit ihrer reißenden Strömung und dem gewaltigen Tidenhub eine vollständige Absperrung unmöglich macht. Die Belagerten, vom Meer aus mit Vorräten versorgt, liefern den Engländern, die sich auf der zwei Meilen entfernten Insel Tombelaine festgesetzt haben, blutige Gefechte. 1434 wagen die Engländer mit einer gewaltigen Streitmacht einen Angriff, bei dem das Dorf unterhalb der Abtei zerstört wird. Sie werden jedoch von Louis d’Estouteville derart vernichtend geschlagen, dass – so ein Chronist – ›das gesamte englische Heer tot auf dem Watt liegen blieb‹.
    Nach dem Tod von Jeanne d’Arc, deren Siege Charles VII. zum König von Frankreich machten, leistet der Mont-Saint-Michel noch immer erbitterten Widerstand. König Henry VI. ist davon überzeugt, nicht gegen Louis d’Estouteville und seine Ritter zu kämpfen, sondern gegen den Erzengel Michael und seine himmlischen Heerscharen. Seit jener Zeit wird Saint-Michel nicht mehr im strahlend weißen Gewand dargestellt, sondern mit Helm, Harnisch und flammendem Schwert …

Prolog
    In der Abteikirche des Mont-Saint-Michel
11. Juni 1449
Gegen vier Uhr morgens
    »Segnet mich, Pater«, flüstert die Gestalt, die sich zitternd vor Angst in die Dunkelheit zwischen den Säulen drückt. »Ich habe schwere Schuld auf mich geladen. Ich muss beichten. Jetzt gleich.« Die Stimme klingt gepresst. Atemlos und gehetzt.
    Beunruhigt rafft der alte Mönch seinen schwarzen Habit und beugt sich vor, um dem Mann ins Gesicht zu sehen. Der fällt vor ihm auf die Knie und reckt ihm flehend die zum Gebet gefalteten Hände entgegen. Das Gesicht liegt im Schatten, doch der Mönch erkennt die Stimme wieder. Es ist Vittorino da Verona, der vor einigen Tagen im Auftrag des Papstes zum Mont-Saint-Michel gekommen ist. »Deswegen habt Ihr mich um vier Uhr morgens aus dem Bett gezerrt?«, murmelt er unwillig. »Kann die Beichte nicht bis nach der Prim warten?«
    »Nein, Pater!« Von Entsetzen ergriffen sieht Vittorino vom verriegelten Holzportal bis zur aufgemauerten Wand am anderen Ende des Hauptschiffs, die den vor Jahren eingestürzten Chor mit der darunterliegenden Krypta verbirgt. Durch die Zerstörung des Altarraums und die Errichtung jener Wand aus schimmerndem graurosa Stein wirkt die Kirche auf erschreckende Weise wie … ja, wie enthauptet.
    Keine Kerze erhellt den Altar aus Stein, der an die Dolmen erinnert, die wuchtigen Steintische an der bretonischen Küste. Auch durch die bunten Glasfenster oberhalb der Säulen der Seitenschiffe, die Szenen des apokalyptischen Kampfes des Erzengels Michael gegen den Satan darstellen, fällt kein Licht. Durch die beiden offenen Fenster, die beim Einsturz des Chors zerborsten sind, wabern Nebelfetzen in die Kirche – geisterhafte Abbilder des Erzengels, der nachts in seiner Kirche als Feuersäule irrlichtern soll. Vittorino senkt schaudernd den Blick. Père Corentin de Sévérac hat ihm gestern anvertraut, dass der Erzengel diejenigen mit Feuer und Schwert bestraft, die sich gegen ihn versündigen …
    »Eine Beichte um diese Zeit, mitten in der Nacht?« Obwohl eine schwarze Ledermaske sein Gesicht verhüllt, zieht der
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