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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld
Autoren: India Grey
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zu frönen – mit Geld, das Campano anlässlich Cristiano Marescas Comeback zur Verfügung stellte.
    Für Cristiano selbst stand viel mehr auf dem Spiel.
    „Ich bin immer für dich da, das weißt du“, hörte er Suki mit tiefer Stimme sagen. „Wenn es irgendetwas gibt, das ich für dich tun …“
    „Die vierundzwanzig Stunden vor dem Unfall“, fiel er ihr ins Wort. „Erzähl mir noch einmal davon. Wie sind sie abgelaufen?“
    Sie versteifte sich, ihr perfekt geschminktes Gesicht wirkte plötzlich wie eine venezianische Maske. „Ich habe es doch schon oft beschrieben. Mehr gibt es nicht.“
    Sein Blick ging wieder zu dem Schrotthaufen. „Erzähl es mir trotzdem noch einmal.“
    Leise stieß sie einen ungeduldigen Seufzer aus. „Du hattest dich für die Pole Position qualifiziert. Irgendein Mädchen von Clearspring kam wegen eines Interviews mit dir. Ich habe sie in die Presselounge geführt, wo sie auf dich wartete, weil du noch unter der Dusche standest.“ Sie berichtete im Plauderton, so als besäßen die Ereignisse jenes Abends keinerlei besondere Bedeutung. „Einer von Silvios Freunden gab eine Party auf seiner Jacht, deshalb verließen die meisten von uns um sechs das Campano-Gebäude. Ich nehme an, dass du das Interview mit dem Clearspring-Mädchen bis sieben beendet hattest und dann nach Hause gegangen bist.“
    „Was war mit dem nächsten Morgen?“
    Suki zupfte eine nicht vorhandene Fluse von dem roten Satin. „Renntagroutine. Du kamst auf die Strecke …“
    „Laut Zeitungsberichten habe ich die Parade verpasst.“
    „Mag sein, dass du ein wenig zu spät kamst.“ Suki zuckte mit einer Schulter. „Vier Jahre sind eine lange Zeit, ich erinnere mich nicht mehr an jede Einzelheit. Vor allem scheint es so unwichtig im Vergleich zu dem, was dann passierte.“
    Das Pochen hinter seinen Schläfen verstärkte sich. Wieder blickte er in den Saal hinunter, ließ den Blick über die Menge gleiten, so als suche er jemanden. „War ich allein?“
    „Als du ankamst? Natürlich. Wieso hättest du nicht allein sein sollen?“
    Er lächelte schmal. „Weil ich in der Nacht vor einem Rennen normalerweise nie allein war.“ Das schien in einem anderen Leben gewesen zu sein. Als er Frauen noch mit der gleichen selbstsicheren Arroganz verführte, wie er Rennen gewann.
    „Wie gesagt, ich war auf der Party. Ich habe nicht gesehen, wann du gegangen bist.“
    „Dieses Mädchen von Clearspring …“ Er klammerte die Finger um das Geländer, als seine ruhelos wandernden Augen auf einem Gesicht zu liegen kamen. Er riss den Blick los, ließ ihn wieder über die Menge gleiten und fragte sich, wer oder was dieses Blitzlicht in seinem Kopf ausgelöst hatte.
    Suki lachte abfällig. „Oh, bitte. Die Kleine war überhaupt nicht dein Typ. Sie tauchte hier in einem grauen Kostüm auf. Man stelle sich vor – in Monaco, im Mai! Sie sah aus wie eine Bibliothekarin, und damit meine ich wirklich farblos und langweilig. Sie war eine von denen, für die ein Buch lesen das Interessanteste ist, was man im Bett machen kann.“
    Cristiano hörte längst nicht mehr zu. Er beobachtete die Frau in dem dunkelblauen Abendkleid, die jetzt mit den anderen Gästen zur Bühne hinstrebte. Warum er sie beobachtete, wusste er nicht. Nur, dass ein weiteres Blitzlicht in seinem Kopf aufflammte.
    In einem Saal mit den schönsten Frauen der Welt hätte sie wahrhaftig nicht auffallen sollen, doch plötzlich konnte er den Blick nicht von ihr losreißen. Sie war schlank, zierlich, das Kleid jedoch betonte einen erstaunlich vollen Busen, das dunkelblonde Haar fiel offen über ihre bloßen Schultern. Etwas an ihrer Haltung ließ ihn stutzen. Sie wirkte so steif, als müsse sie sich davon abhalten, auf dem Absatz kehrtzumachen und aus dem Saal zu rennen.
    „Wer ist das da unten?“
    Erstaunt folgte Suki seinem Blick. „Die Frau in dem roten Dolce & Gabbana? Jetzt sag nicht, dass du sie nicht kennst, denn sonst …“
    „Die in dem blauen Kleid.“
    „Oh.“ Verachtung troff aus der einzelnen Silbe. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich die Frau oder Freundin irgendeines Mechanikers. Irgendwie kommt sie mir bekannt vor, aber ich weiß wirklich nicht, woher.“
    Cristiano antwortete nicht. Die Frau stand jetzt direkt unter der Galerie, er konnte das Schimmern der Haut auf ihrem Rücken erkennen. Sein Schädel fühlte sich plötzlich an, als hätte man ihn in zwei Hälften gespalten. Nur undeutlich nahm er den Schmerz in seinen Unterarmen wahr, weil seine
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