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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld
Autoren: India Grey
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sich wieder zu einem intakten Bild zusammensetzten, damit er mit seinem Leben weitermachen konnte.
    Inzwischen war klar, dass das nicht passieren würde. Einige der Teilchen fehlten.
    Es ist einen Versuch wert. Vielleicht kehrt die Erinnerung dann zurück.
    Dr. Fourniers Worte hallten in seinem Kopf nach, während er Sachen aus den Regalen riss und sie in die Tasche stopfte. Er brauchte nicht viel und war daran gewöhnt, mit leichtem Gepäck zu reisen. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er alles beisammen hatte. Den Schlüssel zum Chalet warf er als Letztes in die Tasche und zog den Reißverschluss zu. Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit würde er sich von der Party absetzen und nach Courchevel fahren.
    Einmal im Leben würde Cristiano tun, was ihm gesagt wurde. Denn er hatte vor, als Sieger aus dem Kampf gegen den Gedächtnisverlust hervorzugehen.
    Und dazu würde er tun, was immer nötig war.
    „Nacht, Mummy.“
    „Gute Nacht, mein Schatz. Träum was Schönes. Ich rufe dich morgen früh wieder …“
    Das Klicken in der Leitung sagte Colleen, dass Alexander schon aufgelegt hatte. Er war bester Laune gewesen. So schnell würden er und Ruby sicher nicht einschlafen, aber zumindest brauchte sie sich nicht zu sorgen, dass er unglücklich war.
    Nein, elend ging es nur ihr.
    Es kostete sie Mühe, aber sie klappte das Handy zu, ließ es in ihre Abendtasche gleiten und erhob sich. In dem großen Spiegel des Hotelzimmers schien ihr Gesicht gespenstisch blass, ihre Augen waren riesengroß und glänzten fiebrig. Sorgfältig trug sie den dunkelroten Lippenstift auf, den zu kaufen Lizzie sie gedrängt hatte. Sie trat einen Schritt zurück, um sich zu begutachten.
    Großer Gott, vom Gespenst zum Vampir, von tot zu untot! Sie zog ein Kleenex aus der Schachtel und rieb sich die Farbe von den Lippen. Lizzie hatte ihr einen langen Vortrag über die Notwendigkeit gehalten, das Beste aus sich zu machen. Nur so würde sie aus der Menge herausstechen und die Chancen maximieren, von Cristiano Maresca bemerkt zu werden. Aber die Frau da im Spiegel war nicht wirklich sie.
    Letztes Mal hatte er Colleen trotz des steifen grauen Kostüms bemerkt. Kein Make-up, kein tiefer Ausschnitt, keine Stilettos, für die man einen Waffenschein brauchte. Er hatte sie gesehen, so wie sie wirklich war – mit all ihren Ängsten und Unsicherheiten, die sie ihr ganzes Leben lang zu verstecken suchte. Und er hatte mit ihr geredet und ihr Dinge aus seiner Vergangenheit erzählt, die ihr Herz hatten bluten lassen.
    Gesù, Colleen, noch nie habe ich … habe ich meine Seele so bloßgelegt.
    Und genau deshalb hatte Colleen vier Jahre auf ihn gewartet. Denn die Dinge, die er von sich erzählte, hatten eine Verbindung zwischen ihnen hergestellt, die viel tiefer ging als nur das physische Begehren. Bevor sie ihn kennenlernte, hatte sie alle möglichen Vorurteile über ihn und seinen Beruf mit sich herumgetragen. Doch er hatte diese alle zerschlagen und ihr die Wahrheit gezeigt.
    Colleen verließ das Zimmer und ging zum Lift. In der Aufzugskabine achtete sie darauf, sich nicht in den verspiegelten Wänden anzusehen, aus Angst, sie würde die Sehnsucht in ihrer Miene erkennen, die plötzlich in ihr aufgeflammt war. Sie durfte die Hoffnung nicht zu hoch schrauben. Sie hatte heute Abend auch so genug zu verlieren, auch ohne dass sie ihre Würde und ihren Selbstrespekt riskierte.
    Alexander, zum Beispiel.
    „ Bonsoir, mademoiselle .“ Mit einer kleinen Verbeugung hielt der junge Portier die Tür für sie auf. Der eisige Luftzug ließ Colleen erschauern. „Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?“
    „Nein, danke“, murmelte sie. Sie schaute über den Platz zu den beiden Türmen des Casinos, die sich in den dunklen Himmel reckten. „Ich gehe nur dort rüber.“
    „Zu der Campano-Party? Bien, mademoiselle . Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Abend.“
    Das, so dachte Colleen, während sie vorsichtig auf den hohen Absätzen die Außenstufen hinunterbalancierte, ist höchst unwahrscheinlich. Aber sie war ja auch nicht hier, um sich zu amüsieren. Sondern um ein Kapitel abzuschließen.
    Vor dem Casino war es ruhiger geworden. Die Party hatte begonnen, die vielen Reporter, die Lisa vorhin noch vom Fenster aus vor dem Eingang gesehen hatte, hatten sich zerstreut. Nur ein paar schaulustige Touristen hielten sich noch auf dem Platz auf. Blaues Licht ließ den Lack der Bentleys und Ferraris und Lamborghinis schimmern, auf dem Vorplatz aufgereiht wie Alexanders
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