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Die letzte Nacht der Unschuld

Die letzte Nacht der Unschuld

Titel: Die letzte Nacht der Unschuld
Autoren: India Grey
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Spielzeugautos.
    Auf ihrem Weg über das nasse Kopfsteinpflaster raffte Colleen das lange Kleid, damit es nicht über den Boden schleifte. Musik drang ihr entgegen, je näher sie kam. Die Türen standen offen und gaben den Blick frei auf marmorne Säulen … Oh Gott, und sie musste jetzt dort hineingehen.
    Wäre es nicht so schrecklich, sie hätte lachen mögen. Das war nicht ihre Welt, würde nie ihre Welt sein. So sehr sie auch über Hartley Bridge und die Tatsache murrte, dass der einzige Laden mittags geschlossen war und nur Malzessig anstatt Balsamico im Sortiment führte … das war die Welt, in die sie gehörte.
    In der sie sich sicher fühlte.
    Das Zittern hatte sich zu einem Beben gesteigert, das nichts mit dem ungemütlichen Wetter zu tun hatte. Irgendwo da oben in den Hügeln, jenseits der Lichter und des Trubels, lag die Villa, in der sich an einem lauen Maiabend ihr ganzes Leben verändert hatte.
    Entschlossen hob Colleen das Kinn. Dominic hatte völlig recht. Es wurde Zeit, die Kontrolle zu übernehmen. Dinge stießen ihr zu, Dinge, über die sie keine Kontrolle hatte. Dinge, die ihr immer wieder vor Augen führten, wie anfällig und vergänglich das Leben war. Es wurde Zeit, dass sie ihr Leben in die eigene Hand nahm und sich endlich ihren Ängsten stellte.
    Colleen hielt ihre samtene Abendtasche vor sich an die Brust und stieg die Stufen in das golden schimmernde Innere hinauf.
    „Und, was sagst du? Gefällt es dir?“
    Suki kam zu Cristiano auf die Galerie und reichte ihm das Glas Champagner, das sie für ihn mitgebracht hatte.
    Trotz der klagenden elektrischen Geigen hörte Cristiano den triumphierenden Tonfall in ihrer Stimme, als sie den Saal hinunterblickte.
    Gefallen? Ein Puls pochte an seiner Schläfe, er fühlte, dass ihm der Schweiß auf der Stirn stand. Die Party lief langsam an, der prunkvolle Saal füllte sich mehr und mehr mit Gästen. Manche davon kannte Cristiano gut von der Rennstrecke, andere Gesichter hatte er nur in Zeitschriften und im Fernsehen gesehen. Am Fuße der breiten Treppe standen vier Schönheiten um zwei Autos herum und spielten auf elektrischen Violinen.
    Der Campano-Wagen für die neue Saison wurde heute Abend zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Ein Meisterstück in Design und Konstruktion, schimmerte der grüne Lack wie geschliffene Smaragde, die schnittige Linie ließ an ein Raubtier denken, das zum Sprung ansetzte. Doch es war der andere Wagen, um den die Leute sich scharten – ein Haufen zerbeultes Metall, das einst ein Rennwagen gewesen war und fast zu Cristianos Sarg geworden wäre.
    „Ob es mir gefällt, ist doch wohl eher nebensächlich“, antwortete er tonlos und riss den Blick von dem Schrotthaufen los. „Die anderen sind auf jeden Fall fasziniert.“
    Blutroter Satin raschelte, als Suki sich zu ihm drehte und ihn unter Wimpern hervor ansah, die viel zu dicht und zu schwarz waren, um echt zu sein. „Sie sind einfach nur froh, dass du wieder zurück bist“, sagte sie und richtete unnötigerweise seinen Kragen. „Du bist ein Held. Jeder hat den Unfall in Erinnerung. Wenn sie jetzt den Wagen sehen, wird ihnen klar, wie absolut unglaublich du bist. Du bist da herausgekommen.“
    Ihr schweres Parfüm stieg ihm in die Nase, hinunter in die Kehle, mischte sich mit dem Kloß der Niedergeschlagenheit und wollte ihn ersticken. Jeder erinnerte sich an den Unfall, nur er nicht. Wenn Dr. Fournier recht behielt, könnte es sein, dass die Erinnerung nie zurückkam.
    Er trank einen Schluck von dem Champagner. Der musste Silvio ein Vermögen gekostet haben, dennoch schmeckte er für Cristiano wie Batteriesäure. „Noch bin ich nicht zurück.“
    „Aber bald“, schnurrte Suki und strich mit einem rot lackierten Fingernagel über das Revers seines Smokings. „Du bist dreimaliger Weltmeister. Ein paar Rennen, ein paar Siege, und du bist wieder ganz der Alte. Ich weiß, es muss schwer sein …“
    Mit einem erstickten Laut wandte Cristiano sich von ihr ab und fuhr sich mit der Hand durch Haar. Außer der Ärztin war Suki die einzige Person, die von seinem Gedächtnisverlust wusste. Aber sie ahnte nichts von den Panikattacken, die ihn plagten, wenn er hinter dem Steuer saß.
    „Du hast keine Ahnung“, sagte er bitter.
    Unten im Saal eilte Silvio von Grüppchen zu Grüppchen, schüttelte Hände, klopfte Schultern und verteilte Wangenküsse. Gleich würde er seine Rede halten, und danach würden sich die Gäste in den Salons verteilen, um dem Glücksspiel
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