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Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)

Titel: Die letzte Lüge: Thriller (German Edition)
Autoren: Peter de Jonge
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zwischen Elchgeweihen und Bockshörnern und einem großen weißen Schwan mit eingefallenen Flügeln, der aussieht, als sei er direkt vom Himmel geschossen worden. Der Laden ist zu weit vom Washington Square entfernt, um als Treffpunkt für die NYU-Studenten zu fungieren, und wie die meisten Menschen hier in der Gegend genießen auch die Gäste den trägen Schwebezustand zwischen College und Berufstätigkeit. Sonntags um Mitternacht ist der Laden gerammelt voll. Krekorian bahnt sich einen Weg an den Tresen und macht den pferdeschwanztragenden Barkeeper auf sich aufmerksam. Er arbeitet nur an den Wochenenden, verzieht sich aber in die offene Küche und kehrt mit einer sehr aufgeregten Aushilfskraft zurück, die an jenem Abend gearbeitet hat. Da O’Hara vermutet, dass der Junge illegal dort arbeitet, fragt sie ihn nicht nach seinem Namen, sondern zeigt ihm nur das Foto von Pena, das sie von Coy bekommen hat.
    Der Aushilfsjunge erkennt Pena sofort wieder und zeigt auf einen der Tische auf der anderen Seite des Raums. »Da drüben hat sie gesessen. Es war spät. Ich habe abgeräumt.«
    »War sie mit einem Mann zusammen?«
    »Nein.«
    »Sind Sie sicher? Wir haben gehört, dass Sie jemanden kennenlernen wollte.«
    »Sie hat lange dort gesessen. Gehörte zu den Letzten, die gegangen sind.«
    »War sie betrunken?«
    »Ich glaube nicht. Sie wirkte ernst.«
    Als O’Hara wieder zum Wagen geht, macht sie zwei Anrufe, die sie aus unterschiedlichen Gründen bereits den ganzen Abend vor sich herschiebt. Der erste gilt Penas Eltern in Westfield, Massachusetts. Der zweite ihrem nichtsnutzigen vorgesetzten Sergeant, Mike Callahan.

6
     
    O’Hara befingert das Foto von Pena in ihrer Manteltasche, während sie Brunos keck wackelndem Hintern die steilen Stufen nach unten folgt und ihn auch nicht korrigiert, als er viel zu heftig nach rechts zieht. Fast fünf Jahre lang, bis sie Ende zwanzig war, lebte O’Hara mit einem Feuerwehrmann in Long Beach, Nassau County, zusammen. Obwohl er irgendwie ein Chaot war und mit seinen Lippen öfter an der Wasserpfeife als an ihr hing, vergötterte ihn O’Hara und hielt sich so lange für glücklich, bis sie eines Vormittags einen Anruf von seiner anderen Freundin erhielt. Sie arbeitete ebenfalls beim NYPD und teilte O’Hara mit, sie sei im Begriff, ein Kind von ihm zu bekommen. Wild entschlossen, dem inzestuösen Long Beach und seinen Feuerwehrstammkneipen, Polizeistammkneipen und Stammkneipen für Feuerwehr und Polizei zu entkommen, mietete sie eine Woche später eine Wohnung im obersten Stockwerk eines weißen, schindelverkleideten Hauses auf der 252nd Street in Riverdale westlich des Henry Hudson Parkway.
    An ihren freien Tagen gönnt sie Bruno einen längeren und interessanteren Spaziergang. Sobald Bruno merkt, dass einer seiner Glückstage ist, zerrt der stummelschwänzige Mischling wie ein Rottweiler an der Leine und schnaubt aus seiner schwarzen Schnauze. Bruno zieht Frauchen an einem Hochhaus aus den sechziger Jahren vorbei und verlangsamt anschließend sein Tempo, um den rostigen Zaun zu untersuchen, der Tennisplätze mit aufgeplatztem Asphaltbelag eingrenzt. Ganz oben auf der Liste der Dinge, die O’Hara an ihrem Hund einfach unwiderstehlich findet, ist die Macht seiner Überzeugungen. Egal wie oft er einen bestimmten Baumstumpf, einen Reifen oder einen Zaun schon begutachtet hat, es wird ihm nie langweilig. Jeder Halt und jedes Schnüffeln trägt zur Vergrößerung seines umfassenden Hundewissens bei. Jeder Pissestrahl enthält eine Botschaft, und jedes Mal, wenn er aus dem Haus in die Welt hinaustrottet, spielt all das eine sehr wichtige Rolle, jedenfalls für Bruno.
    Die beiden umrunden ein einst vornehmes Haus im Tudorstil und als O’Hara um die Ecke biegt, sieht sie den Hudson zum ersten Mal an jenem Tag. Sie freut sich auch diesmal wieder darüber, dass sie ihn nicht von einem der öffentlichen Aussichtspunkte im Palisades Parkway betrachtet, sondern durch eine Baumlücke in einer ruhigen Straße, nicht mal einen Kilometer von ihrem Zuhause entfernt. Das grausam ergebnislose Gespräch mit Penas Eltern am Vorabend beschäftigt sie immer noch. Der Vater, der ans Telefon ging, bekam kaum ein Wort heraus, während sich die unbeugsame Mutter blind an das letzte bisschen Hoffnung klammerte, das ihr blieb. O’Hara lässt Bruno im kalten Gestrüpp dreißig Meter vom Fluss entfernt wühlen, bevor sie gemeinsam kehrtmachen und den steilen Hügel hinaufsteigen. Der Schmerz in ihren Beinen
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