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Die leichten Schritte des Wahnsinns

Die leichten Schritte des Wahnsinns

Titel: Die leichten Schritte des Wahnsinns
Autoren: Polina Daschkowa
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sind? dachte Lena. Wenn es Serjosha ist?
    »Ich höre«, flüsterte der Killer.
    Lena erzählte ihm alles, von Anfang an. Sie sprach lange,und der Hubschrauber kreiste die ganze Zeit über ihnen. Mal entfernte sich das Geräusch etwas, dann kam es wieder näher. Jedesmal,
     wenn der Hubschrauber ganz nahe war, verstummte Lena und lauschte. Aber der Killer drängte sie:
    »Weiter!«
    Als sie ihren Bericht beendet hatte, steckte sie sich eine Zigarette an und fragte leise:
    »Wie hast du mich gefunden und wozu?«
    »Ein Auftrag der Gradskaja«, antwortete er nach langem Schweigen.
    »Du hast den Auftrag angenommen?«
    »Hätte ich ihn abgelehnt, hätte sie einen anderen engagiert. Oder es noch einmal selber versucht.«
    »Warum hat sie sich nicht gleich an dich gewandt?«
    »Ich töte keine Frauen mit kleinen Kindern. In Moskau war dein Kind bei dir, hier bist du allein.«
    »Wenn sie glaubte, daß du mich umbringen wirst, wieso hat sie dann auch noch die Banditen auf mich gehetzt?«
    »Um sich abzusichern. Mit mir Verbindung zu halten ist schwierig, außerdem nehme ich kein Geld im voraus und gebe keine Garantien.«
    »Hast du Mitja getötet?« fragte Lena kaum hörbar.
    »Ja.«
    »Und der Mord an mir sollte auch ein vorgetäuschter Selbstmord sein?«
    »Nein, bei dir nicht.«
    »Wie hast du es getan bei Mitja?«
    »So wie der Auftrag lautete. Ich bin durchs Fenster gestiegen, habe ihm einen Schlag versetzt, ihm eine große Dosis Morphium
     in die Hand gespritzt, ihn aus dem Bett gezogen, und was weiter war, weißt du ja selber.«
    Er sagte das so ruhig und selbstverständlich, als teile er ihr ein Kochrezept mit.
    »Nur einen Fehler hast du gemacht« bemerkte Lena nachdenklich. »Du hast ihm das Morphium in die rechte Hand gespritzt. Aber
     Mitja war kein Linkshänder.«
    »Ich habe in die Hand gespritzt, die aus dem Bett hing, das war am bequemsten. Ob das die rechte oder die linke Hand war,
     habe ich nicht beachtet.«
    »Und wenn seine Frau aufgewacht wäre?«
    »Die Frau sollte ich nicht umbringen. Sie stand aber sowieso unter Drogen, außerdem bin ich sehr leise vorgegangen.«
    Der Hubschrauber war längst davongeflogen. Es war still geworden. Wassja sah nach draußen.
    »Ich mache jetzt ein Lagerfeuer«, sagte er, »du kannst mir helfen, Reisig zu sammeln. Aber nimm keine Tannenzweige, die qualmen
     fürchterlich.«
    Von einer jungen Birke schnitt er ein gerades Stück Rinde ab und rollte es zu einem Kegel, den er geschickt mit einem dünnen,
     biegsamen Zweig zusammensteckte. Lena saß am Feuer und beobachtete, wie er einen Kessel aus Birkenrinde anfertigte.
    »Willst du darin Wasser kochen?« fragte sie.
    »Worin sonst?«
    Den Birkenrindenkessel füllte er mit Schnee und befestigte ihn über dem Feuer zwischen zwei Astgabeln. Der Schnee schmolz,
     er füllte mehr nach. Nach einer halben Stunde war der Kessel bis zum Rand mit Schmelzwasser gefüllt, und das Wasser begann
     rasch zu kochen.
    »Warum ist er nicht verbrannt?« fragte Lena erstaunt.
    »Ich weiß nicht.« Er zuckte die Schultern. »Die Chanten haben mir das beigebracht.«
    Vorsichtig nahm er den Kessel vom Feuer und reichte ihn Lena.
    »Verbrüh dich nicht.«
    Abwechselnd schlürften sie von dem heißen Wasser und reichten sich gegenseitig den Kessel.
    »Hat Mitja dir nicht leid getan?« fragte Lena vorsichtig. »Du hast ihn doch sicher erkannt.«
    »Ja«, der Killer nickte, »ich habe ihn erkannt. Aber das ist meine Arbeit.«
    »Warum hast du mit mir Mitleid gehabt?« Lena unterdrückte das Zittern in ihrer Stimme und sprach langsam und leise, fast flüsternd.
    »Weil du früher einmal Mitleid mit mir gehabt hast.«

Kapitel 40
    Wenja wachte sehr früh auf. Draußen war es noch dunkel. Er wußte, daß der einzige Linienflug aus Tjumen um neun Uhr fünfzehn
     ankam. Nach Domodedowo zu jagen, nur um danebenzustehen und zuzusehen, wie Lena in die Flughafenhalle kam, wie ihr Mann sie
     begrüßte und umarmte, war absurd. Aber er konnte sich nicht beherrschen. Zu gern wollte er sie wiedersehen, die zehn Tage
     hatten sich wie eine Ewigkeit in die Länge gezogen.
    Er würde natürlich nicht zu ihr gehen. Er wollte sie nur anschauen. Abends würde er sie dann anrufen und bitten, mit ihrem
     Mann zu sprechen. Es wäre schön, wenn sie sich gleich morgen treffen könnten. Aber drängen würde er sie nicht.
    Regina schlief in ihrem Arbeitszimmer. Er wollte an der verschlossenen Tür vorbeischleichen, aber sie kam sofort heraus, bekleidet
     mit einem kurzen
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