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Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)

Titel: Die Legenden von Attolia 1: Der Dieb (German Edition)
Autoren: Megan Whalen Turner
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müssen«, erwiderte er. Ich folgte seinem Blick dorthin, wo die Königin stand; ich wusste nicht, wie lange sie schon da war.
    Sie trug ein grünes Kleid aus schimmernder Seide, das sie unter den Armen einschnürte und sie wie eine Pfauenhenne wirken ließ, die sich in die Kleider ihres kleineren Männchens gezwängt hatte. Mein Bruder Temenus hatte ihr die Nase mit einem Übungsschwert gebrochen, als sie beide elf Jahre alt gewesen waren, und die Beule, die davon zurückgeblieben war, verlieh ihr eine in sich ruhende Unansehnlichkeit, die anziehender war als Attolias ganze Schönheit, aber das wusste Eddis nicht, und sie hatte oft das Gefühl, ihr Volk dadurch zu enttäuschen, dass sie nicht schöner war. In ihrer fünfjährigen Herrschaft hatte sie sich die Loyalität und Liebe ihrer Untertanen erworben. Sie hielten sie für schön, was ich ihr auch sagte, und wären genauso zufrieden damit gewesen, sie in einem Sack zu sehen wie in den aufwändigen Kostümen, die ihre Ankleiderinnen sie zu tragen nötigten.
    Sie verzog die Lippen, um mich daran zu erinnern, dass sie glaubte, die Verpflichtung zu haben, prunkvoll aufzutreten, wenn sie schon nicht schön sein konnte. Ich runzelte die Stirn, da meine guten Ratschläge anscheinend in meiner Abwesenheit in Vergessenheit geraten waren.
     
    Der Magus entschuldigte sich dafür, mitten in ihrem Gespräch davongelaufen zu sein, aber sie winkte ab, setzte sich dann aufs Bett neben mich und drückte mir die Hand.
    »Ich glaube, du brauchst mehr Ruhe«, sagte sie.
    »Erst muss ich wissen, was die Boten aus Sounis gesagt haben.«
    »Eugenides, du bist müde.«
    »Ich stehe auf«, drohte ich, »und finde einen anderen, der es mir erzählt.«
    Sie gab nach. Ich hatte gewusst, dass sie das tun würde. Sonst wäre sie nicht hereingekommen und hätte sich hingesetzt.
    »Die erste Botschaft war nur eine steife Notiz, um uns mitzuteilen, dass Sounis seine Männer aus dem Wald an den südlichen Hängen des Berges Irkes zurückgezogen hätte.«
    »Er hat versucht, heimlich eine Armee durch den Tannenwald vorrücken zu lassen?«
    »Ja.«
    Ich warf verächtlich den Kopf in den Nacken. »Oh, was für ein Dummkopf! Siehst du, was er anstellt, wenn sein Magus nicht da ist, um ihn aufzuhalten? Hast du die Bäume in Brand gesteckt?«
    Die Königin schüttelte den Kopf. »Nein, das war nicht notwendig. Ich habe deinen Cousin Crodes mit einem Schreiben zu ihm geschickt, um ihm zu sagen, dass er seine Männer bis Sonnenuntergang abziehen lassen sollte, sonst würden wir den Wald niederbrennen.«
    Das Gesicht des Magus wurde bei dem Gedanken blass, dass die gesamte Armee seines Landes zu Asche hätte verbrennen können.
    »Der zweite Bote war schon höflicher«, sagte die Königin und lehnte sich in meine Kissen zurück. »Der König von Sounis bat um alle Informationen, die wir über den Aufenthaltsort und das Wohlbefinden seines Magus und seines Erben hätten.«
    »Des Erben des Magus?«, fragte ich.
    »Des Erben des Königs.«
    Ich sah Sophos an. »Dein Vater, der Herzog, ist zugleich der Bruder des Königs?«
    »Wusstest du das nicht?«, fragte er.
    »Nein.«
    Die Königin lachte. »In einem Handstreich«, sagte sie, »hast du meinen Thron gesichert und mir den Erben meines Feindes gebracht. Der Hof ist sehr beeindruckt.« Das wäre bei den meisten Höflingen das erste Mal , dachte ich. »Ich glaube«, fuhr die Königin fort, »dass ich Sounis einige Zugeständnisse abpressen werde, bevor ich seinen Neffen nach Hause schicke.«
    Sie lächelte Sophos an, und er errötete, während er zugleich ihr Lächeln erwiderte. Sie hatte diese Wirkung auf die meisten Menschen, nicht nur auf Sophos. Ein Lächeln von ihr wärmte jedem das Blut. Der Magus hatte gute Gründe, sie zur Königin seines Landes machen zu wollen.
    »Aber jetzt wird es Zeit zu gehen«, sagte die Königin und erhob sich aus meinen Kissen. Sie bückte sich, um mich auf die Stirn zu küssen, während sie die Hand aus meiner löste, und ich bemerkte, dass Hamiathes’ Gabe von ihrem goldenen Halsreif baumelte. Als sie sich aufrichtete, legte sich der Stein wieder auf ihre Haut, unmittelbar unterhalb ihres Schlüsselbeins.
     
    Zwei Tage später fand eine offizielle Zeremonie statt, um meine Cousine zur durch den Besitz von Hamiathes’ Gabe legitimierten Königin zu machen. Offenbar stand die bloße Übergabe des Steins an sie mit allerlei angestaubten Bräuchen nicht in Einklang. Der Gewandmeister meines Vaters erschien und half mir,
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