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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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die die Rückreise antraten. Burrich, Flink und ich trafen lange nach den anderen in Bocksburg ein, denn wir kamen nur langsam voran. Ich ermüdete rasch, und auf meine Kraft war kein Verlaß. Aus heiterem Himmel fielen mir die Zügel aus der Hand, und ich rutschte aus dem Sattel wie ein Sack Hafer. Dann mußten meine Begleiter haltmachen, um mir wieder aufs Pferd zu helfen, und ich zwang mich, weiterzureiten. In vielen Nächten erwachte ich zitternd, und nicht einmal meine Stimme gehorchte mir. Die Häufigkeit dieser Anfälle ließ nur langsam nach. Am schlimmsten waren die Nächte, in denen ich nicht aufwachen konnte, sondern immer wieder davon träumte zu ertrinken. Aus einem solchen Traum erwachte ich und sah Veritas vor mir stehen.
    Deine Gabe ist stark genug, um die Toten aufzuwecken, beschwerte er sich gutmütig. Wir müssen einen Lehrer für dich finden, der dir beibringt, dein ›Denken‹ zu beherrschen. Kettricken findet es ein wenig befremdlich, daß ich so oft aufschrecke und glaube zu ertrinken. Wahrscheinlich sollte ich dankbar sein, daß du wenigstens in meiner Hochzeitsnacht traumlos geschlummert hast.
    »Veritas?«, fragte ich benommen.
    Schlaf weiter, sagte er. Galen ist tot, und Edel habe ich an die kurze Leine gelegt. Du hast nichts zu fürchten. Schlaf und träume nicht mehr so laut.
    Veritas, warte! Aber bei dem Versuch, nach ihm zu greifen, zerriß die Verbindung zwischen uns, und mir blieb keine andere Wahl, als zu tun, was er mir geraten hatte.
    Das Wetter wurde von Tag zu Tag schlechter. Wir alle sehnten uns danach, heimzukommen, lange bevor wir die Mauern von Bocksburg vor uns auftauchen sahen. Ich glaube, Burrich hatte bis zu dieser Reise Flinks Talente nicht recht zu schätzen gewußt. Er besaß eine ruhige Tüchtigkeit im Umgang mit Pferden und Hunden, die sich den Tieren mitteilte. Mit der Zeit nahm er den Platz ein, den ich und nach mir Cob innegehabt hatten, und die Freundschaft, die sich zwischen ihm und Burrich entwickelte, brachte mir schmerzlicher denn je meine Einsamkeit zu Bewußtsein.
    Galens Tod betrachtete man am Hof von Bocksburg als tragisches Ereignis. Die ihn am wenigsten gekannt hatten, gedachten seiner mit der größten Sympathie. Offenbar hatte der Mann sich überfordert, daß in so jungen Jahren sein Herz versagte. Man redete davon, ein Kriegsschiff nach ihm zu benennen, als wäre er ein gefallener Held. Aber Veritas griff die Anregung nicht auf, und deshalb kam es nie dazu. Seinen Leichnam ließ man mit allen Ehren nach Farrow bringen, damit er dort beigesetzt wurde. Falls Listenreich ahnte, was zwischen Veritas und Galen vorgefallen war, behielt er es für sich. Weder er noch Chade sprachen je davon. Der Verlust unseres Gabenmeisters, der nicht einmal einen Lehrling hinterließ, um sein Amt zu übernehmen, war ein schwerer Schlag, besonders in Anbetracht der Bedrohung durch die Roten Korsaren. Das war ein Thema für allgemeine Diskussionen, aber Veritas weigerte sich rundweg, Serene oder einen der anderen, die Galen ausgebildet hatte, als Nachfolger in Betracht zu ziehen.
    Ich fand nie heraus, ob Listenreich mich Edel als Sündenbock ausgeliefert hatte. Es erschien mir klüger, die Sache auf sich beruhen zu lassen, und auch Chade gegenüber erwähnte ich nie etwas von meinem Verdacht. Ich glaube, ich wollte es gar nicht wissen, um in meiner Loyalität nicht wankend zu werden. Doch in meinem Herzen, wenn ich »mein König« sagte, meinte ich Veritas.
    Die Stämme, die Rurisk zugesagt hatte, kamen noch später nach Bocksburg als ich, denn sie mußten über Land zum Fluß Vin geschleift werden, bevor man sie flußabwärts nach Turlake flößen konnte und von dort auf dem Bocksfluß nach Bocksburg. Zu Mittwinter trafen sie ein und hielten in jeder Beziehung, was Rurisk versprochen hatte. Das erste Kriegsschiff, das vom Stapel lief, wurde nach ihm benannt. Ich denke, er hätte es verstanden, ohne ganz damit einverstanden zu sein.
    König Listenreichs Plan erwies sich als erfolgreich. Nach langen Jahren gab es in Bocksburg wieder eine Königin, und Kettrickens Ankunft weckte das Interesse an den Vorgängen am Königshof. Der tragische Tod ihres Bruders am Vorabend der Vermählung und ihr tapferer Entschluß, trotz allem das Ehegelöbnis abzulegen, regte die Phantasie des Volkes an. Die unübersehbare Bewunderung, die sie für ihren Gemahl empfand, machte Veritas selbst in den Augen seiner Untertanen zu einem romantischen Helden. Sie waren ein bemerkenswertes Paar, ihre
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