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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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hättest diese Fähigkeit.« Burrich kam zu mir und ließ sich schwerfällig auf ein Knie nieder, das lahme Bein unbeholfen nach hinten gestreckt. Er nahm meine kraftlose Hand und legte sie auf seine Schulter. »Ich war des Königs Mann für Chivalric«, sagte er feierlich. »Veritas wußte es. Ich selbst besitze nicht die Gabe. Doch Chivalric gab mir zu verstehen, für ein solches Nehmen und Geben wäre das nicht so entscheidend wie die Freundschaft zwischen uns. Ich habe Kraft, und es gab einige Gelegenheiten, bei denen er Kraft brauchte, und ich gab sie ihm bereitwillig. Also habe ich dem früher bereits standgehalten und unter widrigeren Umständen. Versuch es, Junge, wenn wir scheitern, scheitern wir, aber wenigstens haben wir es versucht.«
    »Ich weiß nicht, wie ich es anstellen soll. Ich kann nicht ›denken‹, und erst recht weiß ich nicht, wie man sich dazu der Kraft eines anderen bedient. Und wenn ich es versuche und es gelingt, könnte es dein Tod sein.«
    »Wenn es gelingt, hilft es, unseren König zu retten. Ich habe geschworen, das Leben des Königs zu schützen. Und du?« Bei ihm war alles so einfach.
    Also versuchte ich es. Ich öffnete mein Bewußtsein und suchte nach Veritas. Ich versuchte, ohne zu wissen wie, Kraft von Burrich zu beziehen. Doch alles, was ich hörte, war das Zwitschern der Vögel draußen, und Burrichs Schulter war nur etwas, worauf meine Hand ruhte. Ich öffnete die Augen. Auch ohne daß ich es aussprach, wußte er, daß ich versagt hatte. Er stieß einen schweren Seufzer aus.
    »Nun gut. Dann bringe ich dich jetzt zu Edel.«
    »Wenn wir nicht gehen, würden wir uns immer fragen, was er gewollt haben mag«, sagte ich.
    Burrich lächelte nicht. »Du bist in einer wunderlichen Stimmung. Fast hörst du dich an wie der Narr.«
    »Spricht der Narr mit dir?« fragte ich erstaunt.
    »Manchmal«, bestätigte er und half mir, aufzustehen.
    »Je dunkler der Schatten des Todes auf mich fällt«, philosophierte ich, »desto amüsanter kommt mir alles vor.«
    »Dir vielleicht«, antwortete er verdrossen. »Ich frage mich, was er will.«
    »Feilschen. Etwas anderes kann ich mir nicht vorstellen. Und wenn er feilschen will, gelingt es uns vielleicht, einen Vorteil herauszuschlagen.«
    »Du redest, als wäre es möglich, bei Edel an den gesunden Menschenverstand zu appellieren, aber er denkt nicht wie wir anderen. Und Hofintrigen habe ich immer verabscheut.« Burrich schnaubte verächtlich. »Lieber miste ich eigenhändig die Ställe aus.« Er zog sich meinen Arm um die Schultern und führte mich aus der Tür.
    Falls ich mir je Gedanken darüber gemacht hatte, wie die Opfer von Teufelswurz sich fühlen mochten, jetzt erfuhr ich es aus erster Hand. Ich war ziemlich sicher, daß ich nicht mehr daran sterben würde, aber ich wußte nicht, wieviel lebenswertes Leben es mir übrig ließ. Meine Beine zitterten, meine Hände hatten keine Kraft. Unwillkürliche Muskelzuckungen peinigten meinen Körper. Mein Herz schlug einmal rasend schnell, dann viel zu langsam, mein Atem ging unregelmäßig. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als stillzusitzen und in meinen Körper hineinzuhorchen, um festzustellen, welcher Schaden ihm zugefügt worden war. Aber Burrich half mir, einen Fuß vor den anderen zu setzen, und Nosy trottete geduldig hinter uns her.
    Ich war noch nicht im Dampfbad gewesen, aber Burrich. Eine separate Tulpenknospe umschloß eine brodelnde heiße Quelle, deren man sich bedient hatte, um diese Annehmlichkeit zu schaffen. Ein Chyurda stand davor, und ich erkannte in ihm den Fackelträger der vergangenen Nacht. Wenn er mein Auftauchen merkwürdig fand, ließ er es sich nicht anmerken. Er trat beiseite, als hätte er uns erwartet, und Burrich geleitete mich die Eingangsstufen hinauf.
    Mineralisch riechender Dampf schlug uns entgegen. Burrich ging vorsichtig, um auf den glatten Fliesen nicht auszurutschen; an einer oder zwei Steinbänken vorbei näherten wir uns der Stelle, wo der Dampf herkam. Das heiße Wasser trat als Springquell zutage, mit einer gemauerten Einfassung versehen. Von dort wurde es in Rinnen zu anderen, kleineren Becken geleitet; die Länge der Rinne und die Tiefe des Beckens bestimmten die Temperatur. Dampfwolken und der Lärm des sprudelnden Wassers erfüllten die Luft. Mir fiel schon im Freien das Atmen schwer, an diesem Ort hatte ich das Gefühl zu ersticken. Allmählich gewöhnten meine Augen sich an das Halbdunkel, und ich sah Edel in einer der kleineren Wannen liegen.
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