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Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen

Titel: Die Legende vom Weitseher 01 - Der Adept des Assassinen
Autoren: Robin Hobb
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Bei unserem Näherkommen hob er den Blick.
    »Ah.« Es hörte sich an, als freute er sich, uns zu sehen. »August hat mir bestellt, daß Burrich dich herbringen würde. Gut, gut. Ich nehme an, du weißt, daß die Prinzessin dir den Mord an ihrem Bruder verziehen hat? Und zumindest an diesem Ort bewahrt sie dich damit vor der gerechten Strafe. Ich halte es für Zeitverschwendung, doch einheimische Bräuche sollte man achten. Sie sagt, sie betrachtet dich als Angehörigen ihrer Sippe, und deshalb stehst du unter ihrem Schutz. Offenbar ist sie unfähig zu begreifen, daß du keiner rechtmäßigen Verbindung entstammst und deshalb außerhalb von Familie oder Sippe stehst. Aber lassen wir das. Willst du nicht Burrich fortschicken und dich zu mir gesellen? Ein heißes Bad könnte dir guttun. Das sieht unbequem aus, wie du da stehst, aufrecht gehalten wie ein Hemd an der Wäscheleine.« Sein Tonfall war so heiter, so leutselig, als ahnte er nichts von meinem Haß.
    »Was hast du mir zu sagen, Edel?« Kein Ihr mehr, wie es dem Bastard gegenüber dem Prinzen geziemte.
    »Möchtest du nicht Burrich fortschicken?« fragte er wieder.
    »Ich bin kein Narr.«
    »Darüber könnte man streiten, aber meinetwegen. Dann werde ich ihn aus unserer Gesellschaft entfernen müssen.«
    Der Dampf und das Wasserrauschen hatten es dem Chyurda leicht gemacht, unbemerkt heranzukommen. Er war größer als Burrich und hatte die Keule bereits zum Schlag erhoben, als dieser sich herumdrehte. Wäre er nicht durch mich behindert gewesen, hätte er ausweichen können. So traf die Keule mit einem grausigen, trockenen Geräusch seinen Schädel, wie eine Axt auf Holz. Burrich fiel, und ich mit ihm. Ich landete mit dem Oberkörper in einem der kleineren Becken, gefüllt mit beinahe kochendheißem Wasser. Es gelang mir, mich hinauszurollen, doch ich bemühte mich vergeblich, aufzustehen. Meine Beine versagten mir den Dienst. Burrich neben mir lag sehr still. Ich streckte die Hand nach ihm aus, konnte ihn aber nicht erreichen.
    Edel erhob sich aus seinem Bad und winkte dem Chyurda. »Tot?«
    Der Mann stieß Burrich mit dem Fuß an und nickte kurz.
    »Gut.« Ein Ausdruck der Befriedigung huschte über Edels Gesicht. »Schaff ihn hinter das tiefe Becken dort in der Ecke. Dann kannst du gehen.« Zu mir sagte er: »Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daß vor dem Ende der Zeremonie jemand hereinkommt. Die guten Leute sind zu sehr damit beschäftigt, um die besten Plätze zu wetteifern. Und da hinten, im Schatten – nun, ich bezweifle, ob man ihn eher findet als dich.«
    Ich brachte keine Antwort über die Lippen. Der Chyurda bückte sich und nahm Burrich bei den Füßen. Als er ihn wegschleppte, zeichnete der schwarze Schopf seiner Haare eine wie mit dem Pinsel gezogene Blutspur auf die Fliesen. Eine schwindelerregende Mischung aus Haß und Verzweiflung wälzte sich mit dem Blut durch meine Adern. Kalte Entschlossenheit ergriff von mir Besitz. Ich war so gut wie tot, aber das schien plötzlich nicht mehr wichtig zu sein. Viel wichtiger war es, Veritas zu warnen. Und Rache für Burrich zu nehmen. Ich hatte keinen Plan, keine Waffen, keine Möglichkeiten. Dann versuche, Zeit zu gewinnen, hätte Chades Rat gelautet. Mit jeder Minute nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, daß sich eine Chance bietet. Halte ihn hin. Vielleicht kommt jemand, um nachzusehen, weshalb der Prinz nicht erschienen ist, um sich für die Hochzeit umzukleiden. Vielleicht will sich noch jemand vor der Zeremonie im Dampfbad entspannen. Verwickle ihn in ein Gespräch.
    »Die Prinzessin ...«, begann ich.
    »Ist kein Problem«, sprach Edel für mich weiter. »Die Prinzessin hat nur dir vergeben, nicht Burrich. Was ich mit ihm getan habe, war mein gutes Recht. Er ist ein Verräter. Er muß bezahlen. Und der Mann, der sich seiner angenommen hat, war ein besonders getreuer Gefolgsmann seines Prinzen Rurisk. Er hat keine Einwände gegen das, was hier geschieht.«
    Der Chyurda verließ das Dampfbad, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen. Meine Hände scharrten über den glitschigen Fliesenboden, fanden aber keinen Halt. Währenddessen trocknete Edel sich gemächlich ab. Sobald der Mann fort war, kam er zu mir. »Willst du nicht um Hilfe rufen?« fragte er interessiert.
    Ich holte tief Atem, würgte meine Angst hinunter und erwiderte Edels Blick mit soviel Verachtung, wie ich aufzubringen vermochte. »Wen sollte ich rufen? Wer würde mich hören über dem Wasserrauschen?»
    »Dann sparst du also deine Kräfte.
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