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Die Legende der Wächter – Der Zauber

Die Legende der Wächter – Der Zauber

Titel: Die Legende der Wächter – Der Zauber
Autoren: Kathryn Lasky
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Gesichtsschleier lauerten dann dunkle Schatten. Auch die Ränder ihrer Flügel färbten sich dunkel, und die Federn waren auf einmal struppig wie Krähengefieder. Damals dachte ich, ich würde mir das alles nur einbilden. Aber als in den Legenden die Dämonen beschrieben wurden, dachte ich plötzlich: Das kommt mir irgendwie bekannt vor.
    Die blutrünstige Gewalt, von der die Legenden erzählen, erinnerte mich an meine eigene Jugend, zum Beispiel an meine Tytari-Feier. Da wurde von mir erwartet, dass ich jemanden umbringe, der mir nahesteht. Und was ich bei meiner Mutter gespürt habe, war nicht so sehr Hass, sondern das Fehlen jeglicher eulenhafter Gefühle – so wie bei dieser Krieth. Meine Mutter hatte etwas ausgesprochen Dämonisches.“
    Eine ganze Weile wusste Soren darauf nichts zu erwidern. Vielleicht hatte der junge König ja Recht. Trotzdem tat es ihm nicht gut, Tag und Nacht über seiner Abstammung und den Folgen zu brüten.
    Die Herkunft bestimmt nicht den Charakter. Es sind unsere Taten, die uns ausmachen , dachte Soren. Und Coryn war ein außergewöhnlich tapferer und kluger Eulerich – aber vor allem besaß er Mitgefühl. Nyra hatte ihn zu Härte und Grausamkeit erziehen wollen, aber Coryn hatte sich davon nicht beeinflussen lassen.Selbst wenn in seinen Adern ein Tropfen Dämonenblut fließen sollte, so besaß er doch einen so edlen Magen, wie man sich nur wünschen konnte.
    Draußen blies ein bitterkalter Wind. Es war zwar erst Mittag, aber es hätte ebenso gut schon Abend sein können, denn Gewitterwolken verdunkelten den Himmel. Umso mehr fiel auf, dass sich die Milchbeeren am Großen Baum nicht wie in den Vorjahren winterlich weiß gefärbt hatten. Sie leuchteten so golden, als wäre es immer noch Sommer. Was allerdings noch viel seltsamer war: Zwar hatte der Große Baum inzwischen das meiste Laub verloren, doch die abgefallenen Blätter hatten einen goldenen Schimmer hinterlassen. Und auch jene Blätter, die noch an den Zweigen hingen, hatten sich ihren goldenen Glanz bewahrt.
    Die Eulen von Ga’Hoole freuten sich über dieses ungewöhnliche Verhalten ihres Baumes. Es sei, als würde der Sommer kein Ende nehmen, sagten sie. Nur Soren war bei dem prachtvollen Anblick unbehaglich zumute. Der goldene Abglanz überall dort, wo Blätter fehlten, ließ ihn an Geisterschnäbel denken. Geisterschnäbel waren die Seelen von Eulen, die keine Ruhe fanden, weil sie auf Erden noch etwas zu erledigen hatten.
    Der junge König und sein Onkel schwiegen. Der sanfte Schein aus dem Glutbehälter fiel auf ihre gedankenversunkenen Gesichter.
    In den alten Legenden war oft von der Macht die Rede, die der Glut innewohnte. Coryn und Soren war nur allzu bewusst, dass es sich dabei nicht nur um irgendwelche alten Geschichten handelte. Die Glut besaß tatsächlich magische Kräfte. Diese Kräfte konnten sich als segensreich erweisen, aber auch zum Fluch werden. Als Coryn die Glut nach tausend Jahren aus dem Vulkankrater geborgen hatte, hatten sowohl er als auch Soren den Verdacht gehabt, dass sich damit auch die Hägsmagie der Dämonen wieder Einlass in die Eulenwelt verschafft hatte.
    Nyra war die heutige Verkörperung des Bösen, aber natürlich hatte es das Böse immer schon gegeben. Würde Nyra sich die Dämonenmagie zunutze machen, um wieder an die Macht zu gelangen? Und wenn sie tatsächlich entfernt von Dämonen abstammte, konnte sie dann so mächtig werden wie die boshafte Krieth? In den Legenden wurde geschildert, wie es der Dämonin damals mittels Zaubersprüchen und widerwärtigen Experimenten gelungen war, abscheuliche Mischwesen zu erschaffen. War Nyra selbst womöglich das Ergebnis eines solchen Experiments? Ein Mischwesen, gefährlicher als jeder reinblütige Hägsdämon?
    Und was für ein Geschöpf war dann Coryn? Diese Frage war es vor allem, die den jungen König umtrieb und ihm keine Ruhe ließ.
    Soren hatte aus der Lektüre der Legenden andere Schlüsse gezogen. Sein Magen sagte ihm, dass ihre wichtigste Botschaft lautete, die Vernunft über jede Art von Magie zu stellen. Er konnte Coryns Befürchtungen zwar nachvollziehen, war aber davon überzeugt, dass sein Neffe einen grundanständigen Charakter hatte. Coryn durfte sich nur nicht von seinen Aufgaben als König ablenken lassen, indem er sich zu viel mit der Glut oder mit irgendwelcher Magie beschäftigte.
    Alle Wächter von Ga’Hoole zeichneten sich durch einen edelmütigen Charakter aus, nicht nur der König. Doch der König musste den anderen
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