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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman
Autoren: PeP eBooks
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nichts an, aber warum seid Ihr nicht in Frankreich geblieben? Holz gibt es da doch auch. Ihr seid geflohen, weil Ihr Hugenotten seid!«
    Endres runzelte die Stirn. »Halt den Mund und bring uns zum Haus des alten Froehner.« Seit Großhartmannsdorf mussten sie die Gegenwart dieses ungehobelten Friedger Pindus ertragen, dessen einzige Sorge der nächste Schluck Selbstgebrannter war. Im Grunde war es ein Wunder, dass er sie ohne Zwischenfälle die schwierige Wegstrecke hergebracht hatte.
    Und doch hatte der einfache Karrenführer recht mit seiner Vermutung.
Sie waren Hugenotten, und die politische Lage in Frankreich war brisant. Es herrschte Krieg, Bruderkrieg. In Endres’ Augen die furchtbarste Form von Krieg, wenn ehemalige Freunde, Familien, Menschen einer Nation gespalten wurden durch den Glauben. Niemand konnte sich sicher fühlen, weil unter dem Deckmantel des Glaubenskampfes Bespitzelung, Neid und Verrat die finstersten Abgründe der menschlichen Seele zutage brachten. Ausgerechnet jetzt wurde Frankreich von Karl IX., einem jungen, schwachen Herrscher, und dessen Mutter, der Italienerin Katharina de Medici, regiert. Die Königinmutter betrieb eine intrigante, machiavellistische Politik, doch die religiöse Spaltung des Landes konnte sie nicht aufhalten. Sie stand zwischen zwei mächtigen Interessengruppen, den katholischen Guisen und den protestantischen Bourbonen. Die von Katharina propagierte relative religiöse Toleranz war 1562 im Edikt von Saint-Germain-en-Laye sanktioniert worden, doch das Massaker von Vassy hatte die Konflikte erneut und mit weit größerer Schärfe als zuvor ausbrechen lassen.
    So griffen Katholiken in Troyes, Meaux oder Sens protestantische Gläubige auf dem Weg zu ihren Gottesdiensten an, obwohl offiziell festgelegt worden war, dass protestantische Versammlungen in jeder Landvogtei abgehalten werden durften. Willkürlich wurden Häuser von wohlhabenden Hugenotten geplündert, so dass viele Familien ins lutherische Straßburg flohen. Erschwerend kam hinzu, dass die Hugenotten in zwei Lager gespalten waren: Die Konservativen wollten die strengen Glaubensgrundsätze, die in Genf propagiert wurden, durchsetzen, während die Liberalen darin eine Gefahr für die gesamte Sache sahen.
    Endres konnte nur den Kopf schütteln über so fanatische Glaubensbrüder wie die anciens von Troyes, welche auf der Ausgabe einer méreau an fromme Gläubige bestanden. Gläubige, die nicht im Besitz dieser Münze waren, wurden vom Abendmahl ausgeschlossen.
    Vor diesem Hintergrund hatte Endres mit seiner Tochter die
beschwerliche Reise nach Sachsen unternommen. Im protestantischen Sachsen herrschte Kurfürst August, der dem für seine Toleranz in Konfessionsfragen bekannten Kaiser Maximilian II. nahestand und sich um den Religionsfrieden von Augsburg verdient gemacht hatte. Hier hofften sie auf eine friedliche Zeit.
    Friedger schnäuzte auf den Weg, indem er sich ein Nasenloch zuhielt. »Ha! Jetzt weiß ich es! Ihr seid der Ziehsohn des alten Froehner!« Triumphierend knallte er die Rute gegen das Joch der Ochsen.
    Endres und Jeanne schwiegen, was den neugierigen Karrenführer nicht störte. »Abgehauen seid Ihr damals. Die Leute haben noch lange darüber gerätselt, was vorgefallen ist zwischen Ulmann und Euch. Einige behaupten ja, Ihr hättet das Land verlassen müssen, weil …«
    »Es reicht! Spar dir deine Lügengeschichten fürs Wirtshaus«, fuhr Endres ihn an.
    Doch Friedger Pindus focht das nicht an. »Dann seid Ihr in der Fremde ein reicher Hugenotte geworden, so ist es doch? Das erhöht natürlich die Fahrtkosten.« Er rülpste laut und grinste.
    Angewidert schloss Jeanne die Augen und drückte ihre Laute, die sie zum Schutz gegen Kälte und Nässe in Tücher geschlagen hatte, an sich. Von einem Zufluchtsort und einem Neuanfang hatte ihr Vater gesprochen, doch die Ahnung wuchs, dass man sie kaum herzlich willkommen heißen würde. Mit der Zunge fuhr sie sich über die aufgesprungenen Lippen und wischte sich eine Träne von der Wange. Die Haut spannte unter der Kälte, und nicht nur die Angst vor dem Ungewissen ließ sie zittern.
    »Jeanne, gleich sind wir da.« Ihr Vater drückte sanft ihren Arm. »Thomas ist ein guter Mann, glaub mir. Er war immer gerecht und wird uns helfen.«
    Sie räusperte sich und blinzelte in den kalten Wind, der vom Fluss heraufwehte.
    »Habe ich doch recht, dass Ihr den alten Cistermacher kennt«,
meinte Friedger und schlug erneut die geschundenen Ochsen. Man hatte den
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