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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman
Autoren: PeP eBooks
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eine Art Rechen lehnten an der Wand neben einem verwitterten Holzschild, auf dem noch die Umrisse einer Laute zu erkennen waren. Friedger trieb die Ochsen an, und der Wagen rollte bereits davon, als die Tür aufgestoßen wurde und eine alte Frau herausschaute. Ihr Gesicht war von feinen Linien durchzogen, die Augen blickten wach und argwöhnisch.
    »Ja, was ist denn nur …?« Das Kleid der Alten war nicht aus feinstem Stoff, aber sauber und ohne Löcher. Um ihre Schultern lag ein warmes Wolltuch. Aus dem Hausinneren drang der Geruch von Kohl.
    Vater und Tochter gingen die Stufen hinauf. Oben nahm Endres seine Mütze ab und neigte den Kopf. »Mutter Agathe, ich bin es, der Endres, und das ist meine Tochter Jeanne.«
    Jeanne machte einen höflichen Knicks, wobei sie ihre Laute weiter mit einer Hand festhielt.
    Die Alte riss die Augen auf, hielt sich die Hand vor den Mund und drehte sich auf dem Absatz um. »Thomas! Komm her! Komm auf der Stelle her!«, rief die Alte, bevor sie zurückkehrte, die Tür ganz öffnete und die Besucher hereinbat.
    Überrascht bemerkte Jeanne, dass der Flur geräumig und mit Schiefer gefliest war. An den Wänden hingen verschiedenste Zupf- und Blasinstrumente, auf einer Truhe stand eine Öllampe,
und in einer Ecke war ein großes Fass, das mit Brettern und einem Stein verschlossen war. Dahinter führte eine schmale Treppe in den ersten Stock des Hauses Froehner.
    Die Alte nahm Endres’ Hände und zog ihn in eine kleine Wohnstube, die von einem Ofen angenehm warm gehalten wurde. »Dass wir dich noch einmal wiedersehen! Wer hätte das für möglich gehalten!«
    Endres ließ sich begutachten, während Jeanne ihren Umhang öffnete und den Lautensack vorsichtig auf den Boden stellte.
    »Endres!«, ertönte eine tiefe Bassstimme, und ein hochgewachsener Mann mit schlohweißem Haar trat herein und schloss Endres Fry in seine Arme. »Mein Junge.«
    Beide Männer drückten eine Träne fort, räusperten sich, und schließlich klopfte Thomas Froehner seinem Ziehsohn auf die Schultern. »Was bringt dich her? Und wer ist dieses hübsche Kind? Setzt euch und erzählt! Agathe, lass Speis und Trank bringen, wir haben etwas zu feiern!«
    Seine Frau verzog keine Miene und verließ den Raum. Jeanne hatte wohl bemerkt, dass die Alte ihren Vater nicht umarmt hatte und sich über das Wiedersehen weit weniger zu freuen schien als der alte Thomas. Jener schob ihnen Lehnstühle hin, nahm Jeanne den Umhang ab und legte ihre Laute wie selbstverständlich auf eine Truhe. Thomas Froehner hatte gütige helle Augen und einen Mund, der stets zu einem Lächeln bereit war. Sie mochte den Alten auf den ersten Blick, und ihre Ängste und Befürchtungen, die sie mit der Ankunft in Sachsen verbunden hatte, wurden etwas gemindert.
    »Zwanzig Jahre, Endres. Du bist rumgekommen, hast viel erlebt. Hoffentlich bleibt uns genug Zeit, dass du mir alles erzählen kannst.« Thomas verschränkte die Hände vor seinem Bauch, der sich unter der ledernen Arbeitsschürze abzeichnete. Seine Hände waren feingliedrig und hätten die eines Musikers sein können. Endres hatte seiner Tochter erzählt, dass Thomas in der Tat ein
ausgezeichneter Spieler der Laute und auch der Theorbe, einer Basslaute mit verlängertem Hals und nicht abgeknicktem Wirbelkasten, war.
    »Meine Tochter Jeanne«, begann Endres.
    Jeanne erwiderte Thomas’ Lächeln.
    »Sie kommt ganz nach ihrer Mutter«, fügte Endres hinzu.
    »Die Schönheit hat sie gewiss nicht von dir«, neckte Thomas. »Dann hast du in Frankreich geheiratet?«
    »Christine de Bergier, eine Hugenottin aus dem Languedoc. Ihre Familie ist …«
    Weiter kam Endres nicht, denn die Haustür war lautstark aufgestoßen worden, und jemand brüllte: »Wo ist der Hundsfott?«
    »Ulmann, so beruhige dich doch.« Agathe Froehner stellte sich in den Türrahmen, wurde jedoch von einem Mann zur Seite gedrängt, dessen Ähnlichkeit mit Thomas unverkennbar war.
    Bevor Ulmann sich auf ihn stürzen konnte, war Endres aufgesprungen und legte eine Hand an den Dolch in seinem Gürtel. »Wage es nicht, Ulmann. Nicht im Haus unseres Vaters!«
    Jeanne umklammerte die Stuhllehne. Der Neuankömmling hatte ein zornrotes Gesicht mit tiefen Furchen über der Nasenwurzel, die auf ein jähzorniges Temperament deuteten. Ihr Vater hatte ihr kaum etwas über seine Vergangenheit erzählt, und so wusste sie nichts über den Zwist, den die Jahre offenkundig nicht hatten glätten können.
    »Unseres Vaters? Er ist mein Vater! Du bist nur
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