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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman
Autoren: PeP eBooks
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trug er mit beiden Händen einen Haufen Asche vor sich her.
    »Gib mir ein Stück Tuch«, sagte er mit heiserer Stimme.
    Jeanne hielt ihm ein Taschentuch hin, in welches er die Asche mit zärtlicher Geste gleiten ließ.
    »Verwahre sie gut.«
    Langsam begriff sie, was er ihr eben in die Hände gegeben hatte, und schluchzte, bis sie keine Tränen mehr hatte, ihr Magen schmerzte und die Augen brannten.
    »Gehen wir.« Ohne sich noch einmal umzusehen, ging Endres Fry den steinigen Pfad hinauf zur Straße, sammelte seine Habseligkeiten auf und schlug denselben Weg ein, den sie gekommen waren.
    Als sie die Weggabelung hinter sich gelassen hatten, war es bereits dunkel. Er hielt an und drückte seine verzweifelte Tochter lange stumm an sich. Sein Körper wurde von Weinkrämpfen geschüttelt, aber er sagte nichts. Kein Wort des Hasses auf die Mörder kam über seine Lippen.

    Sie gingen zurück nach Montpellier und fanden einige Zeit Aufnahme bei dem begüterten Apotheker. Aus edlen Hölzern fertigte Endres ein Kästchen für die Asche seiner Frau. Jeanne spielte stundenlang melancholische Weisen auf ihrer Laute, einem zierlichen Instrument, das auch ihre Mutter beherrscht hatte. Der Tod von Christine Fry, geborener Bergier, hatte alles verändert und die Heiterkeit aus dem Leben derer verbannt, die sie liebten, und wann immer Menschen ihre Religion mit flammender Rede verteidigten, wandte Endres sich ab.
    Eines Morgens trat er zu seiner Tochter, die mit ihrer Laute unter einer Pinie saß. »Wir gehen nach Sachsen, Jeanne. Dort lebt mein Ziehvater.«

Erster Teil

    Helwigsdorff in Sachsen Ianuarius 1569

1
    Langsam holperte der Wagen über den gefrorenen Schlamm. Die erhitzten Körper der Ochsen dampften in der eisigen Januarluft, und aus den Nüstern der bulligen Tiere stieg warmer Atem, der sich sogleich in Eiskristalle verwandelte. Geführt wurde der Karren von einem finster dreinblickenden Mann, der sich ständig den Rotz mit seinem dreckigen Ärmel von Mund und Nase wischte. Auf den groben Händen hatten Kälte und harte Arbeit ihre Spuren hinterlassen. Mit einer kurzen Rute schlug er auf die Ochsen ein, denen der unebene Weg große Mühe bereitete. Die tiefen Spurrinnen hatten sich in scharfkantig gefrorene Hindernisse verwandelt, auf denen die Hufe der Zugtiere kaum Halt fanden.
    Auf der anderen Seite des Karrens ging schweigend Endres Fry. Sein sehniger Körper wurde von einem dicken Wollumhang und einer Pelzkappe vor der Kälte geschützt. Nervös nestelte er an seinem Gürtel und warf Jeanne, die regungslos auf dem Wagen hockte, besorgte Blicke zu.
    »Dort vorn, Herr.« Der Karrenführer zeigte auf eine Ansammlung niedriger Häuser, die sich entlang des Flusses unter Fichten und den nackten Zweigen einiger Laubbäume zu verstecken schienen.
    Plötzlich kam Bewegung in Jeanne, deren ebenmäßiges Gesicht skeptisch aus einer samtverbrämten Kapuze hervorlugte. Mit den Armen hielt sie einen unförmigen Sack auf ihrem Schoß umschlungen. Obwohl ihre Lippen blau von der Kälte waren, konnte niemandem verborgen bleiben, dass sie eine Schönheit war. Große,
dunkle Augen schätzten unter fein geschwungenen Brauen die armseligen Behausungen ab. »Das kann nicht sein. Jedes Dorf in Frankreich sieht herrschaftlicher aus als diese Hundehütten!«
    »Jeanne!« Scharf mahnte sie ihr Vater.
    Das Mädchen senkte den Blick und strich liebevoll über den Sack, dessen langes Ende mit einer Kordel verschlossen war, wobei ihre Lippen verdächtig zitterten.
    »Jeanne«, sagte Endres nun sanfter, und der bittende Ton ließ das Mädchen den Kopf wenden. »Es ist nicht für immer, und wir müssen dankbar sein, wenn sie uns überhaupt aufnehmen. Wir haben alles verloren. Ohne meine Werkzeuge und ohne das Holz kann ich keine Instrumente bauen und kein Geld verdienen. Und ohne Geld kann ich …«
    »Kein Holz kaufen«, beendete Jeanne den Satz und brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich weiß, Vater. Es tut mir leid. Ich will mir Mühe geben, aber … Ich meine, sieh es dir an!«
    Endres seufzte tief. Helwigsdorff an der Freiberger Mulde, so nannte sich das schmale Gewässer unter der Eisdecke, war ein einfaches Waldhufendorf im Kurfürstentum Sachsen. Für jemanden, der im warmen Süden Frankreichs aufgewachsen war, mussten der trübe Winterhimmel und die Braun- und Grautöne, in die Boden, Wiesen und Häuser getaucht waren, trostlos erscheinen.
    Der Karrenführer spuckte aus. »Hundehütten! Das trifft es irgendwie. Geht mich ja
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