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Die Lautenspielerin - Roman

Die Lautenspielerin - Roman

Titel: Die Lautenspielerin - Roman
Autoren: PeP eBooks
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ein Ziehsohn, ein Waise, eine kleine Ratte, die er aus Mitleid durchgefüttert hat und die es ihm mit einem Biss in die Hand vergolten hat!« Ulmann Froehner stierte Endres an und ballte die Fäuste.
    »Schämen solltest du dich, Ulmann. Wir haben Gäste, und du benimmst dich wie ein wild gewordener Eber. Unter meinem Dach sind Endres und seine Tochter willkommen«, donnerte Thomas.
    Ulmann biss sich auf die Lippen und presste schließlich zwischen ihnen hervor: »Was will er hier?«

    Jeanne dämmerte, dass ihre Not größer war, als ihr Vater bisher zugegeben hatte. Sonst hätte er niemals den langen Weg nach Sachsen auf sich genommen, wo ihm solch ein Hass entgegenschlug.
    »Ich …« Endres zögerte. »Für heute Nacht bitten wir um ein Dach über dem Kopf.«
    »Darüber müssen wir kein Wort verlieren. Agathe, wo bleibt das Essen?« Thomas schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »Jeanne, gib uns das Tablett, das hinter dir auf der Truhe steht.«
    Jeanne drehte sich um und hob ein Holzbrett auf den Tisch, auf dem eine verkorkte Tonflasche und sechs winzige Becherlein standen.
    »Und warum das ganze Gepäck draußen vor dem Haus?«, hakte Ulmann nach.
    »Bring es herein, wenn du es schon bemerkt hast. Oder frag einen deiner trefflichen Söhne. Dabei können sie wenigstens nichts falsch machen.« Der Sarkasmus verfehlte seine Wirkung nicht. Kurz darauf schlug die Haustür zu - und Ulmann war verschwunden.
    »Warum kann er dich nicht leiden, Vater?«, fragte Jeanne und umfasste den kleinen Becher, den Thomas ihr zuschob.
    »Alte Geschichten. Dein Feuerwasser, Vater?«
    Der alte Lautenbauer grinste. »Du sagst es. Das wird euch wärmen. Auf die Heimkehrer!«
    Sie leerten die Becher in einem Zug, und die Männer lachten, als Jeanne nach Luft rang. »Was ist das?«
    »Äpfel, Trauben, dies und das. Wirst dich dran gewöhnen, Mädel. Ihr bleibt doch länger, nehme ich an?« Und während Thomas das sagte, goss er die Becher erneut voll und lächelte ihnen aufmunternd zu.
     
    Jeanne richtete sich auf, um den schmerzenden Rücken zu strecken. Den ganzen Vormittag hatte sie draußen in der Kälte nach
Reisig und Fichtenzapfen gesucht. Zumindest schneite es nicht mehr. Sie hasste die Kälte, die trüben Farben der Hügel, die in der Ferne zum Gebirge aufstiegen, den ewig grauen Himmel und die verstockten Menschen, die ein kaum verständliches Kauderwelsch redeten. Ihrem Vater zuliebe gab sie sich Mühe, ihre Deutschkenntnisse zu verbessern, doch je länger sie in diesem unerfreulichen Landstrich inmitten der Einöde lebte, desto mehr hasste sie alles hier.
    »Crétins!« , murmelte sie und zog an den halben Wollhandschuhen, die ihre zarten Hände kaum vor der Kälte schützten. Traurig betrachtete sie die Fingerkuppen, die rot und aufgesprungen waren und ihr das Lautespielen fast unmöglich machten.
    Seit zwei Wochen lebten sie nun im Haus von Thomas Froehner, der sie ohne viele Worte für unbestimmte Zeit bei sich aufgenommen hatte. Der alte Froehner war der Einzige, der sie nicht mit Verachtung behandelte, sondern ihren Vater respektierte und schätzte. Und er besaß unendlich viel mehr Verstand und Gespür für den richtigen Klang eines Holzes als seine furchtbaren Söhne, allen voran Ulmann.
    Sie warf einen letzten Zapfen in den Korb, hob ihn auf und machte sich auf den Rückweg. Ulmann war ein jähzorniger und kleingeistiger Mensch. Und sein Sohn war kein Deut besser und dazu noch mit der Dummheit und Arroganz seiner Mutter geschlagen. Jeanne schüttelte sich bei dem Gedanken an Franz, der knapp zwei Jahre älter war als sie und ihr dauernd nachstellte.
    Unter ihren Tritten knackten die Zweige auf dem gefrorenen Waldboden. Hinter der nächsten Biegung lag das Haus des Dorfbaders, ein wundersamer kleiner Kauz. Meist sah sie ihn in Begleitung seines Gehilfen. Der attraktive junge Mann mit den melancholischen dunklen Augen hatte schon bei ihrer ersten Begegnung ihre Aufmerksamkeit erregt, aber seine Kleidung verriet seine niedrige Herkunft, und er war Friedger Pindus’ Sohn. Sie verdrängte das Bild des Arztgehilfen aus ihren Gedanken.

    Wie sehr sie Montpellier und das bunte Treiben in den engen Gassen vermisste! Das Meer war dort spürbar nahe, die Sonne wärmte den fruchtbaren Boden und ließ Weinstöcke und Obstbäume gedeihen, dass es eine Wonne war. Jeannes Lippen wurden schmal. Die Erinnerung verklärte die Bilder, denn ganz so idyllisch war es auch im Süden Frankreichs nicht. Hugenotten und Katholiken
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