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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels
Autoren: Félix J. Palma
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Salomon, den König der Maschinenmenschen, schwang. Noch sollte es über ein Jahrhundert dauern, bis diese denkwürdige Schlacht entbrannte, in der der tapfere Hauptmann die menschliche Rasse vor der Ausrottung bewahrte, wenngleich – dank ZEITREISEN MURRAY – bereits halb England besagte Schlacht gesehen hatte. Obwohl der Preis für die Fahrkarte beträchtlich war, hatten die Menschen wie für eine neue Oper vor dem Eingang Schlange gestanden, um jener Schlacht beizuwohnen, die ihren armen sterblichen Existenzen verwehrt bleiben würde. Alle außer Wells, dessen Roman das alles ausgelöst hatte und der sich einer Reise in die Zukunft stets verweigerte, obwohl er mehrmals vom Chef des Unternehmens, Gilliam Murray, persönlich eingeladen worden war, welch selbigen die Zeitungen in ihrer typischen Mischung aus Anbiederung und Einfallslosigkeit schon bald als den «Herrn der Zeit» apostrophierten und dessen überraschender Tod in der vierten Dimension die ganze Welt bewegt hatte, was möglicherweise damit zu tun hatte, dass mit ihm auch das Geheimnis der Zeitreisen gestorben war. Wells war vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, der nicht eine Träne um den fetten Angeber verloren hatte, zu dessen Gedenken auf einem Platz in der Nähe sogar ein Denkmal errichtet worden war. Dort stand er arrogant lächelnd auf einem Sockel in Form einer Uhr und kitzelte mit einer seiner mächtigen Pranken die Luft, als wolle er einen Zauber herbeilocken, während die andere auf dem Kopf seines Hundes Eterno ruhte, den Wells mindestens so verabscheute wie dessen Herrchen, was aber nicht der mechanischen Treue zuzuschreiben war, die er diesem entgegenbrachte, sondern vielmehr einer generellen Furcht vor Hunden, seit ihn als Kind auf dem Weg nach Bromley ein riesiger Hund angesprungen und so zielstrebig in die Hand gebissen hatte, dass ihm unwillkürlich der Gedanke gekommen war, die Bestie habe nach einem vorgefassten Plan gehandelt.
    Darum war er an dieser Stelle stehen geblieben; weil ihn das Theater an die Folgen erinnerte, die er schon einmal zu tragen gehabt hatte, weil er jemandem gesagt hatte, was er wirklich von dessen Roman hielt. Bevor Gilliam Murray nämlich zum Herrn der Zeit wurde, war er ein junger Mann gewesen, der eine viel bescheidenere Verwandlung anstrebte: Er wollte Schriftsteller werden. In jener Zeit, vor drei Jahren, hatte Wells ihn kennengelernt. Der zukünftige Millionär hatte ihn damals gebeten, ihm bei der Veröffentlichung eines ungenießbaren Romans zu helfen, den er geschrieben hatte, woraufhin ihm Wells unnötig deutlich zu verstehen gegeben hatte, was er von dem Werk hielt. Diese gnadenlose Aufrichtigkeit machte sie unweigerlich zu Feinden, wie ich Ihnen bei anderer Gelegenheit bereits in allen Einzelheiten geschildert habe und woraus Wells eine Lehre zog: Es gibt Momente im Leben, da ist es besser, zu lügen. Denn was hatte es gebracht, Murray die ungeschminkte Wahrheit zu sagen? Nichts. Hätte er das nicht getan, wäre alles ganz anders gekommen. Und was würde es bringen, Serviss die Wahrheit zu sagen, fragte er sich jetzt. Wahrscheinlich ebenfalls nichts. Es war zweifellos besser, nicht die Wahrheit zu sagen. Doch wenn Wells auch in vielen Bereichen des Lebens lügen konnte, ohne dass seine Stimme zitterte, so gab es unglücklicherweise einen, in dem er nicht anders als aufrichtig sein konnte: Wenn ihm ein Roman missfiel, war er nicht imstande, das Gegenteil zu verkünden. Seiner Meinung nach wurde ein Mensch hauptsächlich nach seinem Geschmack beurteilt, und er fand die Vorstellung unerträglich, für jemanden gehalten zu werden, dem der Roman
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gefiel.
     
    Nach einem Blick auf die Uhr stellte der Schriftsteller fest, dass er nicht länger vor dem Theater verweilen durfte. Es wurde Zeit für seine Verabredung, und so warf er einen letzten Blick auf das Gebäude, verließ Soho über die Charing Cross Road und ging zu der Taverne, in der er mit Serviss verabredet war. Er hatte sich zwar vorgenommen, den Amerikaner warten zu lassen, um von vornherein seine absolute Verachtung für das, was dieser getan hatte, herauszustellen, doch wenn Wells etwas noch mehr verabscheute, als seinen guten Geschmack zu verleugnen, dann war es, zu spät zu einer Verabredung zu kommen, da er der gutgläubigen Ansicht war, wenn er pünktlich sei, würde man aufgrund einer Art kosmischen Gleichgewichts auch ihn nicht warten lassen. Bislang hatte er allerdings noch nicht feststellen können, dass
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