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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels
Autoren: Félix J. Palma
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Roman
Die Zeitmaschine
passiert, in dem die blöde Apparatur, auf die sich der Buchtitel bezog, den Angriff auf die Klassengesellschaft seiner Zeit, der sich zwischen den Zeilen verbarg, völlig in den Schatten gestellt hatte.
    Und jetzt hatte dieser Serviss, der in seiner Heimat einen gewissen Ruf als Wissenschaftsjournalist zu genießen schien, eine Fortsetzung von
Krieg der Welten
geschrieben, mit dem Titel:
Edison erobert den Mars.
Und wovon erzählte Serviss? Nun, der Titel verriet es schon. Thomas Alva Edison persönlich war der Protagonist dieses Romanwerks. Seine zahllosen Erfindungen hatten ihn zu einer Art amerikanischem Helden gemacht, zur allgegenwärtigen Hauptfigur aller Arten von Romanen. In besagter Fortsetzung erfand der unsägliche Edison eine machtvolle Strahlenwaffe, und mit Unterstützung aller Länder der Welt baute er eine Flotte von Raumschiffen mit antigravitatorischem Antrieb, die in Richtung Mars aufbrach, um Rache zu üben. Rache, das war sein Thema, nicht mehr und nicht weniger.
    Als Serviss ihm seinen Roman geschickt hatte, begleitet von einem Brief, in dem er Wells’ Werke so grotesk überschwänglich lobte, dass diesem schier schlecht davon wurde, und ihn mit weitschweifigen Windungen und Umschreibungen praktisch zu zwingen versuchte, seinem Folgewerk den Segen zu geben, da hatte Wells ihm nicht einmal geantwortet. Weder auf diesen Brief noch auf das halbe Dutzend weiterer, die Serviss danach noch schrieb und in denen er unermüdlich Wells’ Zustimmung zu ergattern suchte, ja sogar dreist genug war – sich dabei auf Gemeinsamkeiten beziehend, die er in ihren beiden Romanen zu erkennen glaubte –, dem Engländer vorzuschlagen, gemeinsam einen Roman zu verfassen. Wells hatte ihm nie geantwortet, weil er, nachdem er den Roman gelesen hatte, von Zorn und Ekel übermannt worden war. Dieses kindische, steif und hölzern geschriebene Werk stellte eine schamlose Beleidigung für alle Schriftsteller dar, die, wie er selbst, sich bemühten, die Schaufenster ihrer Zunft mit mehr oder weniger anständigen Produkten zu füllen. Sein Schweigen hatte allerdings kein Versiegen der Briefschwemme zur Folge, sondern schien diese nur noch zu verstärken. In seinem letzten Brief nun bat der unverwüstliche Serviss, da er in einer Woche nach London reise, ihn um die Freundlichkeit, seine Einladung zum Lunch anzunehmen und ihm die Freude zu machen, sich ein paar Stündchen ungestört mit seinem bewunderten Vorbild unterhalten zu können, mit dem er so viele Dinge gemeinsam habe. Also beschloss Wells, sein Schweigen, das ohnehin wirkungslos zu sein schien, zu brechen und die Einladung anzunehmen. Der Lunch schien ihm die beste Gelegenheit, sich vor den Kerl hinzusetzen und ihm zu sagen, was er wirklich von dessen Machwerk hielt. Serviss wollte seine Meinung hören? Seine ehrliche Meinung? Nun, er würde sie ihm sagen. Und ob er das würde! Er konnte sich schon vorstellen, wie der Lunch verlief: Mit unbewegter Miene würde er sich zu Serviss an den Tisch setzen, und mit ruhiger Stimme, die auf keinen Fall den in ihm lodernden Zorn verriete, würde er diesem sagen, wie sehr ihn der zum Helden hochstilisierte Edison als Hauptfigur angewidert habe, und dass er den Erfinder der Glühbirne für einen wenig vertrauenerweckenden Typen hielt, der seine Erfindungen auf Kosten anderer entwickelte, ein übellauniger Kerl war und sein Vergnügen darin fand, todbringende Apparaturen zu entwerfen. Er würde ihm sagen, dass, mochte man es drehen und wenden, wie man wollte, sein Roman allein wegen der nicht vorhandenen literarischen Qualität und der niederträchtigen Handlung nicht mit dem
Krieg der Welten
zu vergleichen war. Er würde ihm sagen, dass die Botschaft seines Romans der des eigenen diametral entgegengesetzt war und besser zu einem patriotischen Pamphlet passen würde, da die naive Moral, die aus diesem abscheulichen Stoß von Blättern herauszulesen sei, auf nichts anderes hinausliefe, als sich besser nicht mit der Menschenrasse anzulegen, oder genauer: dass es wenig ratsam sei, dem großen Thomas Edison und den Vereinigten Staaten in die Quere zu kommen. Genau das würde er ihm sagen und dazu noch den besonderen Reiz auskosten können, nachdem er sich den Groll von der Seele geredet hatte, diesen Hanswurst von Serviss das Essen bezahlen zu lassen.
    Wells war so in seine Gedanken versunken gewesen, dass er, wieder in die Wirklichkeit zurückkehrend, verwundert feststellte, wie seine Schritte ihn in die
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