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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels
Autoren: Félix J. Palma
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dieses Romans das Buch am Ende mit einem hoffnungsfrohen Lächeln auf den Lippen zuklappen. Mit jener lächelnden Hoffnung, die Serviss so vermisst hatte.
    Und so konnte er zwei Monate später, als sein Doppelgänger sich in
Krone und Anker
zum Lunch mit dem amerikanischen Journalisten traf, erfreut feststellen, dass der stählerne Blitz des Vorwurfs in dessen Augen ausblieb. In der Welt, in der Wells jetzt lebte – und die nicht die seine war, obwohl sie ihr verdächtig ähnlich sah –, erzählte
Krieg der Welten
von einer grausamen Marsinvasion aus heiterem Himmel, vor der der Mensch im letzten Moment von der unsichtbaren Hand Gottes – ebenso unsichtbar wie die Keime, die er auf der Erde ausgesät hatte – gerettet wurde. Die Kritik am englischen Kolonialismus war sogar noch treffender und subtiler, musste Wells zugeben, wenngleich das hoffnungsvolle Ende nicht hatte verhindern können, dass Serviss sein
Edisons Eroberung des Mars
geschrieben hatte, wie dies ja auch in seiner ursprünglichen Realität geschehen war.
    Sie erinnern sich, lieber Leser, dass der Schmöker von Garrett P. Serviss sich anmaßte,
Der zweite Krieg der Welten
zu sein, in dem der Mensch, von Rachedurst getrieben und mit dem unsäglichen Edison an der Spitze, durch das Weltall rast, um den Mars zu vernichten. Um ihn dieser Dreistigkeit wegen zur Rede zu stellen, dazu mit grausamer Deutlichkeit dessen Werk zu verreißen und ihm sogar an den Kopf zu werfen, was er von diesem unverschämten Edison hielt, war sein Doppelgänger zur Taverne geeilt. An einem Ecktisch hinter seinem Bart, seiner Löwenmähne und den Falten seines Gesichts verborgen, erwartete Wells das Zusammentreffen der beiden Schriftsteller; ein Zusammentreffen, das sich sein Doppelgänger wie ein funkensprühendes Klingenkreuzen vorgestellt hatte, welches dann jedoch einen ganz anderen Verlauf nehmen sollte, wie Sie alle wissen.
    Als das Essen beendet war, hatte die unaufhörliche Prozession aufeinanderfolgender Bierkrüge die beiden Männer bereits so vertraut miteinander werden lassen, dass man sie für alte Freunde hätte halten können. Schließlich wankten sie grölend und stolpernd aus der Taverne, und Wells folgte ihnen nach draußen. Dort jedoch nahmen sie – im Gegensatz zu dem, woran er sich erinnerte – keine Kutsche zum Museum, sondern verabschiedeten sich aufs herzlichste voneinander und gingen jeder seines Weges.
    Wells stand im Eingang der Taverne und schaute ihnen lächelnd nach. Er war unendlich erleichtert. All die Jahre über hatte er sich gefragt, ob er die Zukunft hatte verändern können, und jetzt endlich war bewiesen, dass er es geschafft hatte. Die beiden waren nicht zum Museum gefahren, weil es dort keinen Marsmenschen gab. Er, H. G. Wells, hatte ihn in einem Zweikampf auf Leben und Tod im fernen Eis des Südpols besiegt. Er hatte ihn vernichtet und vom Angesicht der Erde verschwinden lassen. Sein Raumschiff befand sich möglicherweise noch unter dem Gerümpel in der Wunderkammer des Museums, doch Serviss hatte es offensichtlich nicht für wert befunden, es seinem Doppelgänger zu zeigen, wie er ihm den Marsmenschen gezeigt und damit all das Folgende ausgelöst hatte. Und hier endeten seine Erinnerungen nun. Ab jetzt, dachte Wells, während er sich beschwingten Schritts zum nächstgelegenen Bahnhof begab, um dort den Zug nach Weybridge zu nehmen, würde alles, was sein Doppelgänger erlebte, auch für ihn ganz was Neues sein.
     
    Im Zug fragte sich Wells, ob er, indem er den Gesandten getötet hatte, auch seine Gefährten hatte retten können. Dass er Jane aus jener Wirklichkeit befreit hatte, konnte er mit eigenen Augen sehen, wenn er ihr ab und zu folgte und beobachtete, wie sie in London einkaufte oder mit dem Fahrrad in Worcester Park spazieren fuhr. Abends sah er sie stets heimkommen und in die Arme seines Doppelgängers eilen, was ihn jedes Mal mit einer seltsamen Mischung aus Eifersucht und Zufriedenheit erfüllte. Er hatte sie gerettet, damit sein anderes Ich mit ihr glücklich sein konnte, und mehr als einmal musste er sich in Erinnerung rufen, dass jener Wells ja auch er war, und dass er ebenso froh sein konnte, dass der andere Jane so liebevoll behandelte, wie es ihn denn auch betrüben würde, wenn seine Liebe im Laufe der Zeit erkaltete, was immer passieren konnte, so sehr er sein Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um den Rest seiner Tage an Janes Seite zu verbringen.
    Ebenso war es ihm gelungen, Charles der damaligen Wirklichkeit zu
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