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Die Kunst des guten Beendens

Titel: Die Kunst des guten Beendens
Autoren: Katharina Ley
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Faktoren.
    Nachhaltige Veränderungen im Erwachsenenalter sind durch zwei Arten von Ereignissen möglich:
Durch das Eingehen einer neuen Beziehung kann im günstigen Fall emotionale Entwicklung von Bindung und von mehr Sicherheit in sich selbst und in Bezug auf andere erreicht werden. Damit entsteht eine Heilungs- und Veränderungschance zum Guten, z.B. bei belastenden frühen Bindungserfahrungen. Eine Beziehung einzugehen ist auch über eine Psychotherapie möglich, wo wir heute wissen, dass vorwiegend die Beziehung zwischen Klientin und Therapeutin den heilenden Charakter ausmacht.
Eine nachhaltige Veränderung im Negativen geschieht durch ein traumatisches Erlebnis, durch massive Unterdrückung, durch Folter – durch ein schlimmes Erlebnis, das die Integrität eines Menschen verletzt oder gar zerstört.
    Das eine ist also eine Entwicklung durch die bewusste Würdigung und Liebe zu einem Menschen, das andere die Zerstörung durch die entwertende und brutale Aberkennung der Menschlichkeit und Einzigartigkeit einer Person. 63
Ungewissheit und Ausweglosigkeit aushalten
    Unangenehme Gefühle sind Botschaften, die uns auffordern, uns auf eine Situation einzulassen, vor der wir eigentlich zurückschrecken und der wir ausweichen möchten.
    Pema Chödron

    Ungewissheit macht Angst: Bin ich dieser Aufgabe gewachsen? Ist es der richtige Partner? Was geschieht mit mir nach der Scheidung? Wie werde ich mich nach meiner Pensionierung fühlen? Fragen über Fragen.
    Unausweichlichkeit, auch Ausweglosigkeit bezeichnen eine Sackgasse: man ist gefangen. Es gibt kein Ausweichen und keinen Ausweg mehr bzw. es scheint keinen mehr zu geben: Die Krebsdiagnose ist tödlich, der verhängnisvolle Unfall ist nicht rückgängig zu machen, der Brand hat das Haus zerstört.
    Die Frage ist, wie wir die Ängste, die Schuldgefühle, unsere Schwierigkeiten und Emotionen zu unserem Übungsfeld machen. Nicht indem wir uns verschließen, sondern indem wir diese Gefühle als Botschaften unserer Seele erkennen. Sie fordern uns auf, uns auf ebendiese Situation einzulassen, vor der wir zurückschrecken und der wir ausweichen möchten. Wir können bei dem schmerzlichen Gefühl bleiben, statt ihm auszuweichen. Das Standhalten verhilft uns zu neuen Erfahrungen, zu neuen Einsichten über uns selbst. Wenn wir bei unserem gebrochenen Herzen verweilen, kann sich das Gefühl verwandeln. Wenn wir die Angst annehmen, kann sie sich auflösen; auf einmal trauen wir uns den nächsten Schritt zu. Wenn wir den Durst der Rache ertragen, kann sich Mitgefühl entwickeln, mit uns selbst, mit dem anderen. Wenn wir in der Ungewissheit verweilen können und ihr standhalten, dann lernen wir nach und nach, uns zu entspannen. Es ist sinnvoll, in vermeintlichen oder realen Situationen derAusweglosigkeit zu erkennen, was man ändern kann – und auch zu erkennen, was man nicht ändern kann und hinzunehmen hat. Und dann gilt es, weise den Unterschied wahrzunehmen und die entsprechenden Folgen zu tragen.
    Wenn ein Mensch alles, was in seinen Gedanken und Gefühlen auftaucht, einfach zur Kenntnis nehmen kann, ohne es zu bewerten und zu beurteilen, dann lösen sich die Gedanken und Gefühle mit großer Wahrscheinlichkeit auf. Es wird möglich, in die Offenheit des gegenwärtigen Augenblicks zurückkehren. Annehmen, anerkennen und dann loslassen können, das wird auch in der Meditation geübt, um zum puren Hiersein zurückzukommen, um die Frische der Gegenwart und Wirklichkeit zu erleben. Im Aushalten und Ertragen von Ungewissheit und Ausweglosigkeit ist eine tiefe Weisheit enthalten, nämlich jene, dass Großzügigkeit und Dankbarkeit glücklich machen. Schmerz ist meistens ein Zeichen dafür, dass wir etwas festhalten. Im Gefühl des Unglücks und der Unzulänglichkeit halten wir fest, wollen wir halten und gehalten werden, sind wir geizig und berechnend. Und das Unglück wird immer größer.
    Beenden-Können hat mit Großzügigkeit zu tun, mit der Würdigung des Geschehenen. Das lässt sich real oder in der Imagination üben. Weggeben, was wir am meisten zu lieben glauben und zu verlieren fürchten. Weggeben, was uns lieb ist. Großzügig sein, bewusst und achtsam. Und merken, wie es sich anfühlt: wenn uns ein Freund oder Partner verlässt, wenn wir ein uns liebes Haus aufgeben müssen oder eine geliebte Arbeit, wenn wir Kleider und Bücher und nicht Gebrauchtes weggeben – als ganz bewusste Übung. Wir brauchen nicht mehr so viel. Weggeben, verteilen – es wird unsere tägliche
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