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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
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sich die Schulter wundgerieben, dachte er im Gehen.
Natürlich war sie auf diesen Weg nicht vorbereitet. Cobb hat
uns beide überrascht. Er steckt überhaupt voller
Überraschungen.
    Dann rief er sich ihren Gesichtsausdruck ins Gedächtnis
zurück, als sie das erstemal die ganze Kolonie überblickte. Das war alle ihre Klagen wert. Überraschung,
Verwunderung, Ehrfurcht. Das war es wert, daß er seinen ganzen
Arbeitstag geopfert hatte. Doch warum hat mich Cobb zu dieser
Tagestour abkommandiert. Ich bin so nahe daran, alles
zusammenzufügen, zu begreifen, wo dies alles
hinführt…er aber befiehlt mir, einen Tag in den
Wäldern zu vergeuden.
    Evelyn beobachtete David. Er schien so gelassen, so selbstsicher.
Sie hätte ihm am liebsten ein Bein gestellt oder ihm einen
Käfer auf den Rücken gesetzt, nur um zu sehen, wie er
reagierte.
    Er glaubt nicht, daß es sich lohnt, dachte David. Er hat nie viel von Vorhersagen gehalten. Trotzdem hat er
früher nichts gegen meine Studien einzuwenden gehabt.
Warum gerade jetzt, wo ich so nahe dran bin, all die
Wechselbeziehungen zusammenzufügen? Befürchtet er
vielleicht, daß ich auf etwas stoßen könnte, was ich
nicht wissen soll?
    Die Bäume standen jetzt nicht mehr so dicht beieinander,
hauptsächlich Pinien, mit vereinzelten schwarzweiß
getupften Birken dazwischen. Kiefernduft lag in der Luft. Aus dem
fetten Gras schauten jetzt immer öfter graugesprenkelte Felsen
hervor. Viele der Felsen waren schulterhoch, die meisten aber etwas
niedriger.
    »Diese Felsen sehen recht sonderbar aus«, meinte
Evelyn.
    »Wie bitte?« David schreckte aus seinen Gedanken
hoch.
    »Diese Felsen… sie sehen merkwürdig aus.«
    »Die stammen vom Mond.«
    »Aber die ganze Kolonie ist doch aus Mondgestein erbaut,
nicht wahr?«
    »Das stimmt. Fast jedes Gramm Stoff hier – vom
Außenmantel bis zum Sauerstoff, den wir atmen. Alles wurde an
der Mondoberfläche geschürft und hier in unseren
Schmelzanlagen aufbereitet. Doch diese Felsbrocken wurden nicht
bearbeitet. Unsere Landschaftsexperten waren der Meinung, der Boden
würde auf diese Weise interessanter aussehen.«
    »Das müssen japanische Gärtner gewesen sein«,
meinte Evelyn.
    »Woher wissen Sie das?«
    Sie lachte und schüttelte den Kopf. Eins zu null für
mich!
    »Schön, wir sind da«, sagte David einen Augenblick
später.
    »Wo?«
    »Zu Hause.« Er breitete die Arme aus und drehte sich um.
»Hier lebe ich.«
    »Im Freien?«
    Sie standen an einem großen See, in den der Fluß, dem
sie gefolgt waren, sein Wasser ergoß, bevor er
weiterströmte in Richtung Wald. Etwas weiter entfernt standen
Birken und Kiefern. Der Boden war mit weichem Gras und Farn bedeckt,
wenn auch hie und da Felsen hervorschauten. Rechts von David stand
ein gewaltiger Brocken, weitaus größer als er.
    David zeigte darauf. »Das ist mein Haus. Kunststoff, auf
Felsen getrimmt. Es ist zwar nicht sehr geräumig, aber ich
brauche wenig Platz.«
    Dieser hinterhältige Kerl hat mich zu seiner Wohnung
gelotst!
    David mißverstand ihre Mine. »Sicher, ich bin die
meiste Zeit nicht im Haus. Warum auch nicht? Hierzulande regnet es
nie, sofern wir nicht zwei Tage vorher gewarnt werden. Die Temperatur
sinkt hier nie unter fünfzehn Grad.«
    Evelyn schaute sich unsicher um. »Schlafen Sie hier
draußen?«
    »Manchmal. Doch meistens schlafe ich drinnen. Wir sind keine
Neandertaler.«
    Ja, und ich mag wetten, daß dein Bett breit genug
für zwei ist.
    »Schauen Sie«, meinte er, »wie wäre es mit
einem hübschen Bad zur Entspannung? Inzwischen könnte ich
Ihre Kleider waschen und was zum Trinken vorbereiten.«
    Evelyn versuchte die Möglichkeiten abzuwägen. Der
Gedanke an ein heißes Bad war verlockend. Ihre brennenden
Füße würden es ihr nie verzeihen, wenn sie so eine
Gelegenheit nicht wahrnehmen würde.
    »Das mit dem Bad hört sich gut an«, sagte sie. Und nachher, wenn ich meine Kleider wiederhabe, können wir
über einen Drink reden. Ihr Magen meldete sich und erinnerte
sie daran, daß seit dem Frühstück bereits geraume
Zeit vergangen war.
    David führte sie um die Feisenatrappe. Im Vorderteil war eine
Kunststofftür so geschickt eingelassen, daß sie Mühe
hatte, die feinen Umrisse zu erkennen.
    Innen verbarg sich eine Art Einzimmer-Junggesellenwohnung. Dicke,
rotgoldene Teppiche, cremefarbene, gebogene Wände. Keine
Fenster, dafür aber zwei blanke Bildschirme, die über einem
Tisch neben dem Eingang hingen.
    Eine offene Feuerstelle mit einer Art Kamin nahm die Mitte
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