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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
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1. Kapitel
     
     
    »Langsam!« rief sie. »Ich bin doch ein
Stadtkind.«
    David Adams blieb stehen und drehte sich nach ihr um. Sie
kletterten gerade einen nicht sehr steilen grasbewachsenen Hang
hinauf. Alle paar Schritte standen junge, schlanke Ahornbäume
und Birken, an denen man sich festhalten und hochziehen konnte.
    Doch Evelyn war bereits außer Atem und bekam es
allmählich mit der Angst zu tun. Er gibt an, dachte sie. Der kraftstrotzende junge Adam in seinem Garten Eden.
    Lachend streckte David eine Hand nach ihr aus. »Sie sagten
doch, Sie möchten die ganze Kolonie sehen.«
    »Ja«, schnaufte Evelyn, »aber ich möchte mir
dabei keinen Herzkollaps holen.«
    Er umklammerte fest ihr Handgelenk und zog sie den ansteigenden
Pfad hinauf. »Weiter oben geht’s leichter. Die Schwerkraft
läßt nach. Und die Aussicht ist die Mühe
wert.«
    Sie nickte, aber sie dachte bei sich: Er weiß, daß
er gut aussieht. Ein gutgebauter, muskulöser Körper, ein
kräftiger Rücken. Zweifellos war dies der Grund, warum man
ihn ausgesucht hatte, um mich zu führen. Er bringt die
weiblichen Hormone in Bewegung, weiß Gott.
    David erinnerte sie lebhaft an die hawaiianischen
Strandläufer, die in letzter Zeit die englischen
Badestrände bevölkerten: derselbe kräftige, schlanke
Körper, dasselbe breitknochige, gutgeschnittene Gesicht mit dem
breiten Lächeln. Er trug eine Art Freizeitkleidung, was Evelyn
nicht erwartet hatte: Shorts, ein offenes Freizeithemd, das die
glatte, muskulöse Brust freiließ und Wanderstiefel aus
weichem Leder. Das kurze Kleid, das sie selbst trug, wäre in
jedem Büro, in jedem Restaurant oder an sonst irgendeinem
zivilisierten Ort angebracht gewesen, doch hier draußen war es
denkbar fehl am Platze. Sie hatte bereits ihre Jacke ausgezogen und
in ihrer Schultertasche verstaut, dennoch war es ihr zu heiß,
und der Schweiß drang ihr aus allen Poren.
    Freilich, sein Lächeln war verwirrend. Und da war noch
etwas an ihm, etwas… besonderes. Könnte er derjenige
sein? fragte sie sich. Bin ich bereits über ihn
gestolpert? Welch ein Zufall, daß ausgerechnet er mein
Führer wurde. Doch eine andere Stimme in ihr warnte: Aufgepaßt, es gibt keine Zufälle!
    Diese blauen Augen und dieses Goldhaar. Welch eine Kombination.
Und der leichte olivfarbene Schimmer seiner Haut, ein
südländischer Einschlag. Kann man sogar die Gesichtsfarbe
beeinflussen? Trotzdem, da war noch was… Er sieht aus wie ein
Filmstar, stellte Evelyn fest. Zu vollkommen. Kein Makel,
keine Schramme. Selbst seine Zähne sind ebenmäßig und
weiß.
    »Vorsichtig«, sagte David. Er legte einen Arm um ihre
Taille und half ihr beim Sprung über einen kleinen, murmelnden
Bach, der ihren Weg kreuzte.
    »Danke«, murmelte Evelyn und befreite sich aus seinem
Arm. Er weiß, daß er ein Schlitzohr ist, sagte sie
zu sich. Du darfst nicht auf dieses Engelsgesicht hereinfallen,
altes Mädchen.
    Schweigend stiegen sie durch den lichten Mischwald aus Eichen und
Kiefern hinan. Die Bäume standen alle hübsch im gleichen
Abstand in Reih und Glied. Wie seine Zähne. Die hätten
besser eines dieser verdammten Pfadfindermädchen als einen
Reporter rausschicken sollen.
    David beobachtete sie, während sie den stetig ansteigenden
Pfad hinaufgingen. Warum hat Cobb ausgerechnet mich ausgesucht, um
sie herumzuführen? fragte er sich. Mißt er meiner
Arbeit so wenig Bedeutung bei, daß ich sie einfach beiseite
legen und hier den Fremdenführer markieren soll?
    Er versuchte den verärgerten Ausdruck aus seinem Gesicht zu
tilgen, während er zusah, wie sie in ihren zehenfreien Schuhen
hinter ihm herstolperte, um mit ihm Schritt zu halten. Einem Impuls
gehorchend betätigte er mit der Zunge den Kommunikatorschalter,
der in seinem hintersten Backenzahn eingebaut war, und sagte im
Flüsterton zu sich selbst, tief unten im Rachen, wo ihn keiner
hören konnte außer dem Minisender, der an dieser Stelle
implantiert war: »Evelyn Hall, letzte Woche neu eingetroffen.
Ihre Daten bitte.«
    Nach weiteren vier Schritten über den grasbewachsenen Pfad
kam die Antwort aus dem Miniempfänger, der hinter seinem Ohr
eingesetzt war: »Evelyn L. Hall. Alter sechsundzwanzig. Geboren
im London-Complex. Besuchte die staatlichen Schulen im Londoner
Bezirk. Absolventin der Polytechnischen Universität Plymouth.
Studium der Journalistik. Arbeitete als Forscherin, später als
Reporterin beim International News Syndicate. Keine weiteren
Daten über Laufbahn. Physische Daten…«
    David
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