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Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
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Sie
schwankte.
    Über dem offenen, grünen Land lagen lange, flirrende
Lichtstreifen, ein helles, gleißendes Land, die Solarfenster.
Sie liefen am Zylinder der Kolonie entlang, in Stahlrahmen
gefaßtes Glas, durch die das Sonnenlicht einfiel, das durch die
Riesenspiegel reflektiert wurde, die außerhalb des
röhrenförmigen Mammutrumpfes der Kolonie angebracht
waren.
    Das alles war viel zu gewaltig, um es zu begreifen. Hügel,
Bäume, Farmen, Siedlungen, die sich überkopf in den
dunstigen blauen Himmel schwangen, immer höher hinauf in einer
geschlossenen Rundung, Grünland, glitzernde Scheiben und wieder
grünendes Land…
    Sie spürte Davids Arm um ihre Schultern.
    »Ihnen ist schwindlig geworden. Ich dachte schon, Sie
würden stürzen.«
    Und Evelyn erwiderte leise und dankbar: »Es ist…
überwältigend, nicht wahr?«
    Er nickte, lächelte sie an, und sie wurde plötzlich
wieder böse. Du nicht! Dir imponiert das alles nicht. Du
kennst das alles, seit du auf der Welt bist. Du warst nie gezwungen,
dir deinen Weg durch den Stau in einer Großstadt zu bahnen oder
eine Atemmaske aufzusetzen, um lebend durch die Straßen zu
kommen…
    »Sicher, es ist ein atemberaubender Anblick«, meinte
David, und das mit der Ruhe eines Nachrichtensprechers, der die
Wettervorhersage verliest. »Keine Abbildung der Welt kann jemand
auf diesen Anblick vorbereiten.«
    Sie kicherte. »Columbus! Diese Welt hätte Columbus
verrückt gemacht! Es war ihm schon schwer gefallen, den Menschen
beizubringen, daß die Erde rund ist. Aber wenn er dies hier
gesehen hätte, diese Welt – es ist eine Hohlwelt!«
    David, der Kenner, sagte: »Ich habe ein Teleskop an meinem
Arbeitsplatz, wenn Sie wirklich Leute sehen wollen, wenn Sie Leute
sehen wollen, die über Ihnen mit dem Kopf nach unten
hängen.«
    »Nein«, erwiderte Evelyn schnell, »ich glaube, auf
so was bin ich noch nicht vorbereitet.«
    Sie standen am Rande des steilen Abhangs. Tiefe Stille umgab sie.
Kein Vogel zwitscherte, keine Lastwagen donnerten über die
Straße, die in der Nähe vorbeiführte. Evelyn zwang
sich, wieder nach oben zu schauen und das Land zu betrachten, das
sich über ihrem Kopf wölbte, sie zwang sich dazu, zu
begreifen, daß sie im Innern eines von Menschenhand erbauten
Zylinders stand, der über 20 Kilometer lang war, ein riesiges
Rohr, das fast eine halbe Million Kilometer von der Erde entfernt im
Weltraum hing, voll landschaftlicher Reize, mit Luft gefüllt,
ein künstliches Paradies, in dem eine Elite von wenigen immens
reichen Leuten lebte – während auf der ausgepowerten,
überbevölkerten Erde Milliarden im Elend lebten.
    »Wünschen Sie noch einige statistische Angaben über
die Kolonie?« fragte David. »Sie ist fast so lang wie die
Insel Manhattan, aber da wir fast die ganze Innenfläche des
Zylinders nutzen können, verfügen wir etwa über das
Vierfache der Fläche von Manhattan…«
    »Für ein Hundertstel der Bevölkerung!«

    Wenn sich David durch ihre Reaktion verletzt fühlte,
ließ er sich zumindest nichts anmerken. »Einer der
Vorteile des Lebens hier draußen besteht in der geringen
Bevölkerungsdichte«, sagte er glatt. »Wir möchten
uns nicht in jene Situation hineinmanövrieren, in die sich die
Städte auf der Erde gebracht haben.«
    »Was wissen Sie eigentlich über die Städte der
Erde?« fragte sie.
    Er antwortete mit einem Achselzucken: »Nicht viel, glaube
ich.«
    Sie verfielen erneut in Schweigen. Evelyn wandte sich um und
betrachtete die Aussicht. So viel Platz. Die könnten
mindestens eine Million Menschen aufnehmen, wenn nicht mehr.
    Schließlich streckte David die Hand nach ihr aus.
»Kommen Sie«, sagte er. »Das war ein schwerer Tag
für Sie. Wir wollen etwas trinken und ausruhen.«
    Sie schaute ihn an. Vielleicht ist er doch ein menschliches
Wesen. Und sie lächelte ihn an, trotz ihrer Zweifel.
    »Hier entlang.« Er zeigte auf einen Pfad, der sich
zwischen den Bäumen emporschlängelte.
    »Noch eine Klettertour?«
    Er lachte. »Nein. Es ist nicht mehr weit und meistens
geht’s bergab. Sie können Ihre Schuhe ausziehen, wenn Sie
wollen.«
    Evelyn streifte dankbar die Schuhe von ihren brennenden
Füßen und hängte sie mit den Absätzen an die
Riemen ihrer Schultertasche. Das Gras fühlte sich weich und
kühl an. David führte sie über einen gewundenen Pfad,
vorbei an den sonderbaren, flammenden Hortensienbüschen und am
Ufer eines Flusses entlang, der in Richtung Wald talwärts
floß, durch den sie geklettert waren.
    Sie hat
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