Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kolonie

Die Kolonie

Titel: Die Kolonie
Autoren: Ben Bova
Vom Netzwerk:
denken. Es könnte Ihnen das Leben
retten.«
    »Wenn ich mich hier niederlassen will?« fragte Evelyn
entgeistert. »Besteht darüber überhaupt ein Zweifel?
Ich denke, mein dauernder Aufenthalt hier ist genehmigt.«
    »Sicher«, sagte David mit unschuldigem Blick. »Es
war nur eine Redensart.«
    Doch Evelyn fragte sich, wie weit er wohl Bescheid
wußte?
    Sie nahmen ihre Wanderung wieder auf, und die Büsche mit den
exotischen Blüten säumten weiter ihren Weg. Der
Blütenduft war nicht sehr stark, aber da war etwas anderes, das
Evelyn störte… irgend etwas fehlte.
    »Keine Insekten!«
    »Wie bitte?« fragte David.
    »Ich sehe keine Insekten herumschwirren.«
    »Hier oben«, sagte David, »gibt es kaum welche.
Natürlich gibt es Bienen und sowas unten im Farmland. Aber wir
hatten ziemlich zu tun, um Schädlinge von der Kolonie
fernzuhalten. Fliegen, Moskitos… Krankheitsträger. In dem
Boden, über den wir gehen, leben Erdwürmer und Käfer,
all das Getier, das man braucht, damit der Boden lebt. Dies war zu
Beginn eins der größten Probleme der Kolonie. Das Erdreich
braucht eine Menge Lebewesen, um fruchtbar zu sein. Es reicht nicht
aus, einfach den Schmutz auf dem Mond zusammenzukehren und über
die Kolonie zu verteilen. Das Zeug ist unfruchtbar und
steril.«
    »Wie lange leben Sie denn schon hier?« fragte
Evelyn.
    »Seit meiner Geburt«, sagte David.
    »Tatsächlich? Sind Sie hier geboren?«
    »Ich habe immer hier gelebt«, wiederholte er.
    Evelyn lief ein kalter Schauder über den Rücken. Er
ist’s!
    Und sie fragte: »Und jetzt arbeiten Sie für die
PR-Gruppe?«
    »PR. Was ist das?«
    Sie blinzelte ihn an. »Public Relations. Wissen Sie denn
nicht…«
    »Ach, das!« Er grinste. »Ich bin nicht bei der
PR-Gruppe. Wir haben eigentlich gar keine, außer Dr. Cobb
selbst.«
    »Dann sind Sie also eine Art Fremdenführer?«
    »Nein. Ich bin ein Wahrsager… oder versuche es
zumindest.« .
    »Ein Wahrsager? Aber was in Gottes
Namen…«
    Doch ihre Frage blieb ungehört, als sie um die letzte Ecke
bogen, und das Panorama sich vor ihnen auftat.
    Sie standen fast an einem hohen Berggrat. In dieser Höhe
mußte normalerweise ein leichter Wind gehen, doch Evelyn
spürte keine Brise. Die Büsche, die ihren Weg gesäumt
hatten, lagen nun hinter ihnen, und sie konnte die ganze Kolonie
überblicken, die vor ihr ausgebreitet lag.
    Eiland Eins.
    Von der Hügelkuppe aus erblickte Evelyn das fruchtbare,
grüne Land, das vor ihr lag, bewaldetes Hügelland, das sich
weit dahinzog, leicht sich dahinwindende Flüsse, grasige
Lichtungen, kleine Wälder und Baumgruppen, weit verstreute
Gebäude und blaue Seen, die im Sonnenlicht glitzerten. Sie
meinte zu fallen, und instinktiv trat sie einen Schritt zurück
beim Anblick dieser endlosen Grünfläche, die sich irgendwo
in der Ferne in Dunst auflöste.
    Sie erblickte die dichtgedrängten Dächer einer Siedlung
und die weißen Segel von Booten, die auf einem der großen
Seen kreuzten. Hier spannte sich eine Brücke im hohen Bogen
über einen Fluß, dort glitten Sommerfäden
schwingengleich durch die klare, saubere Luft. In weiter dunstiger
Ferne lagen Äcker und Wiesen hübsch ausgerichtet in Reih
und Glied.
    Sie wußte, daß Eiland Eins ein riesiger Zylinder war,
der im Weltraum schwebte. Sie wußte, daß sie im Innern
eines langen, weiten Rohres stand, das von Menschenhand geschaffen
war. Und durch ihren Kopf schwirrten irgendwelche Zahlen, die sie
sich irgendwann erarbeitet hatte. Die Kolonie war zwanzig Kilometer
lang und vier im Durchmesser. Sie drehte sich alle paar Minuten um
die eigene Achse, um im Innern des Zylinders eine Art
künstlicher Schwerkraft aufrechtzuerhalten, um den Bewohnern ein
erdähnliches Gefühl zu vermitteln. Doch die Zahlen waren
bedeutungslos. Das alles war zu groß, zu offen, zu gewaltig.
Dies hier war eine Welt, ein reiches, blühendes Land
voller Schönheit und Frieden, das jedem Maß und jeder
Beschreibung spottete.
    Eine ganze Welt! Grün, offen, sauber – voller Hoffnung
und Raum, zum Wandern, zum Atmen, zum Spielen und zum Lachen,
ähnlich wie Cornwall und Devon einst gewesen, bevor die grauen
Tentakeln von Großstädten die grünen Hänge
überwucherten.
    Evelyn spürte, wie sie erzitterte. Da war kein Horizont! Das
Land krümmte sich nach oben, breitete sich nach oben aus, hinauf
in schwindelnde Höhen. Sie hob den Kopf und erblickte durch den
bläulichen, wolkenbetupften Himmel weiteres Land, direkt
über ihrem Kopf. Eine Hohlwelt. Atemberaubend.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher