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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
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fügte er leise hinzu: »Ich hätte es Ihnen gesagt, Eve. Es ist Ihr Recht, Bescheid zu wissen. Und ich hätte Sie mitgenommen. Ich würde Sie auch jetzt mitnehmen, wenn Sie mitkämen.«
    »Auf Wiedersehen, Montalvo.« Sie legte auf.
    Vor Monaten hatte sie Montalvo das letzte Mal gesehen, und doch kam es ihr vor, als wäre es gerade am Tag zuvor gewesen. Ihre gemeinsame Zeit in Kolumbien war voller Gefahren gewesen, was unweigerlich eine große Nähe erzeugt hatte. Die Vertrautheit, die sich eingestellt hatte, während sie am Schädel seiner Frau gearbeitet hatte, war zu stark, zu sinnlich gewesen, und deswegen hatte sie ihn aus ihrem Leben ausgeschlossen.
    »Mein Gott.« Jane musterte ihren Gesichtsausdruck. »Kein Wunder, dass Joe Montalvo nicht leiden kann.«
    Eve wurde in die Gegenwart zurückbefördert. Sie hätte wachsamer sein müssen. Jane sollte nichts über die Zeit wissen, die sie bei Montalvo zugebracht hatte. »Das ist noch vorsichtig ausgedrückt.«
    »Hattest du eine Affäre mit ihm?«
    Die Frage schockierte sie. Am liebsten hätte sie gekniffen und das Thema gewechselt, aber sie wollte Jane auch nicht belügen. »Nein, so war es nicht.«
    »Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du eine gehabt hättest. Du bist ja völlig aufgelöst.«
    Auch das konnte sie nicht leugnen. »Ich liebe Joe. Joe ist intelligent und sexy, und wir … passen gut zueinander. Wir ergänzen einander gut. Ich weiß, was für ein Glück ich habe. Er ist alles, was ich will.« Sie befeuchtete sich die Lippen. »Montalvo ist einfach …« Wie sollte sie es Jane erklären, wenn sie es selbst nicht verstand? »Er kennt mich. Vielleicht weil er nach dem Tod seiner Frau durch dieselbe Hölle gegangen ist wie ich nach Bonnies Tod. Vielleicht gibt es aber auch einfach Menschen, mit denen man instinktiv auf derselben Wellenlänge liegt. Er behauptet, wir seien Spiegelbilder füreinander.«
    »Und glaubst du das auch?«
    »Manchmal. Wir haben Schmerz und Besessenheit miteinander geteilt. Niemand, der es nicht selbst erlebt hat, kann wirklich verstehen, was für ein Gefühl das ist.«
    »Joe behauptet, er säuselt dir die Ohren voll.«
    »Er versucht es, und er macht das ziemlich gut.« Sie sah Jane in die Augen. »Deshalb habe ich ihm gesagt, dass ich seine Hilfe bei der Suche nach Bonnies Mörder nicht will. Als ich den Schädel seiner Frau rekonstruiert habe, haben wir eine Vereinbarung getroffen, aber nachdem er uns jetzt eine Spur gegeben hat, können Joe und ich Kistle allein finden. Mir ist mein Leben mit Joe zu viel wert, als dass ich es aufs Spiel setzen würde.«
    »Du klingst sehr entschlossen.«
    »Ich könnte nicht entschlossener sein. Solange Joe mich begehrt, werde ich ihn nicht verlassen.«
    »Er wird dich immer begehren.«
    »Das hoffe ich. Er hat sich über die Jahre eine Menge von mir bieten lassen müssen, und manchmal denke ich, dass er meiner ein bisschen überdrüssig wird.«
    »Niemand wird deiner überdrüssig, Eve. Joe nicht, und ich auch nicht. Und jetzt hör auf, dummes Zeug zu reden.« Jane streichelte Eves Wange. »Aber wenn ich dir dabei helfen kann, dir Klarheit zu verschaffen, lass es mich wissen.«
    »Ich brauche mir keine Klarheit zu verschaffen. Darum geht es nicht. Es geht um Kistle … und Bonnie.« Sie drehte sich um und ging in Richtung Schlafzimmer. »Ich packe jetzt meine Sachen. Kannst du mir telefonisch einen Flug nach Bloomburg buchen?«
    »Zwei Flüge«, verbesserte Jane sie. »Ich komme mit.«
    »Ich dachte, du musst für deine nächste Ausstellung arbeiten.«
    »Malen kann ich überall. Du hast doch nicht ernsthaft angenommen, dass ich dich auf dieses Schwein Jagd machen lasse, ohne an deiner Seite zu sein?«
    Eve lächelte. »Eigentlich nicht. Wie konnte ich nur so was denken? Selbstverständlich, komm mit. Meine ganze Welt scheint ja jetzt auf Bloomburg ausgerichtet zu sein.«
    »Okay, ich packe eine Tasche. Wir können Toby bei meiner Freundin Patty abliefern; die kann sich um ihn kümmern, solange wir weg sind.«
    »Hoffentlich wird es nicht für lange sein.« Sie schloss die Tür ihres Zimmers. Es würde gut sein, Jane bei sich zu haben. Sowohl von ihrer Denkweise als auch von ihrer Geschichte her waren sie sich so ähnlich, dass sie gut Mutter und Tochter hätten sein können. Jane war einige Jahre nach Bonnies Verschwinden zu ihnen gekommen und hatte ihrem Leben wieder einen Sinn gegeben. Sie beteuerte immer wieder, es verletze sie nicht, dass es für Eve nichts Wichtigeres auf der
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