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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin
Autoren: Iris Johansen
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weggerissen wurdest. «
    »Bist du dir wirklich so sicher, dass das, was ich jetzt habe, nicht besser ist als diese Jahre, von denen du meinst, ich hätte sie verpasst?«
    »Also, wenn du es jetzt so gut hast, warum spukst du dann immer wieder um mich herum? Offenbar gefällt es dir hier. «
    Bonnies Gesicht wurde von einem strahlenden Lächeln erleuchtet. »Nein, ich bin einfach nur gern bei dir, Mama. «
    Eve hätte dahinschmelzen können. »Ach, und ich bin gern mit dir zusammen, Kleines. «
    Plötzlich musste Bonnie lachen. »Du hast eben gesagt, ich würde herumspuken. Geister spuken herum. Du gibst also endlich zu, dass ich ein echter 1-a-Geist bin?«
    »Nicht unbedingt. Ich bin sicher, dass auch Halluzinationen herumspuken können. Phantasiegebilde sind–« Sie schüttelte den Kopf. »Ich hab keine Lust, mich jetzt darüber zu streiten. Du bist jetzt hier, und nur das zählt. «
    »Du hast zugelassen, dass er dich verletzt. Das hättest du nicht tun dürfen, Mama. Es … macht ihm Spaß. «
    »Ist er derjenige, Kleines?«
    »Das weiß ich nicht. Ich will nicht an jene Nacht denken. Das habe ich dir doch schon öfter gesagt. «
    »Er will, dass ich glaube, dass er es war. «
    »Ob Wahrheit oder nicht, jedenfalls weiß er, dass er dich treffen kann. Und er wird weiterhin versuchen, dich zu verletzen. Halt dich von ihm fern. « Sie runzelte die Stirn. »Und halt dich auch von der Frau fern. Sie kann dich noch mehr verletzen als irgendjemand sonst. «
    »Welche Frau?«
    »Ich weiß nicht … Die Büchse. Die Frau mit der Büchse. « Sie schüttelte den Kopf. »Bleib einfach dort, wo du in Sicherheit bist. «
    »Das kann ich nicht. Ich muss Kistle finden und ihn dazu bringen, mir zu sagen, wo du bist. Ich muss dich nach Hause holen. «
    »Ich bin dort zu Hause, wo ich jetzt bin. Du bist diejenige, die verloren ist. Deshalb komme ich zu dir. Ich kann nicht zulassen, dass du verloren bleibst. Es tut mir weh, wenn du verletzt wirst. «
    »Bist du deshalb heute Abend gekommen?«
    »Vielleicht. Aber es ist ja auch schon eine Weile her, dass ich dich besucht habe. Du hast mir gefehlt. «
    »Und du fehlst mir immer, Bonnie. «
    »Aber du hast ja noch Joe und Jane. Die liebst du schließlich auch. « Sie schaute zu den Lichtern im Haus. »Jane wartet darauf, dass du zurückkommst. Sie macht sich Sorgen um dich. Sie hätte dich gern begleitet, aber sie hat sich entschlossen zu respektieren, dass du auch mal allein sein willst. « Sie schwieg einen Augenblick lang. »Sie weiß über mich Bescheid, oder?«
    »Ja. Durch Zufall. Ich hatte keine Ahnung, dass sie von dir wusste. «
    »Aber Joe hast du immer noch nichts von mir erzählt?«
    »Irgendwann werde ich es tun. Er ist Realist. Es wäre … ein bisschen schwierig. «
    Bonnie lächelte. »Du verteidigst dich ja. «
    »Und du bedrängst mich. Ich werde es ihm erzählen, wenn die Zeit reif dafür ist. «
    »Also gut, jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt. Er wird bald in Bloomburg aus dem Flugzeug steigen, und er wird nicht einmal Zeit zum Atmen finden, ehe er im Treibsand versinkt. « Sie hob den Kopf. »Jane hat gerade einen Anruf entgegengenommen. Du solltest zum Haus zurückgehen. «
    Eve folgte Bonnies Blick zum Haus. »Treibsand. Was meinst du mit Treib–«
     
    Bonnie war wieder verschwunden.
    Eve musste nicht erst zu der Eiche schauen, um zu wissen, dass die kleine geliebte Gestalt nicht mehr da war. Die vertraute Welle der Traurigkeit erfasste sie, die die ganze Welt zu überspülen schien. Doch neben der Traurigkeit empfand sie eine Art Heiterkeit und ein Gefühl der Heilung, das sich immer wieder einstellte, wenn Bonnie dagewesen war. Als Eve ungefähr ein Jahr nach Bonnies Tod damit begonnen hatte zu träumen, zu phantasieren oder wie auch immer sie es nennen sollte, dass sie Bonnie sah, war es genauso gewesen. Egal wie sie diese Erfahrung bezeichnete, sie hatte ihr den Verstand gerettet und vielleicht sogar das Leben. Sie war in tiefste Depressionen gestürzt und hatte nicht gewusst, wie sie sich daraus befreien sollte. Dann war Bonnie aufgetaucht, und das Leben war wieder erträglich geworden.
    »Auf Wiedersehen, Kleines«, flüsterte sie. »Komm bald wieder.«
    Selbst wenn das mit Warnungen vor einem Wahnsinnigen und einer todbringenden Frau mit einer Büchse verbunden war. Es war ihr egal, ob Bonnies Besuche nur Ausgeburten ihrer überspannten Phantasie waren. Wenn sie Bonnie schon nicht mehr hatte, würde sie wenigstens mit aller Kraft an diesen
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