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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik
Autoren: Noah Gordon
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unterbrochen wurde, aber im Geist sah er durch alle Schichten hindurch das winzige lebendige Ding, das in der amniotischen Flüssigkeit schwebte, derzeit noch ein kleiner Fisch, der jedoch bald ihre Züge, seine Züge, Arme, Beine, Geschlechtsmerkmale entwikkeln würde.
    »Ich mag nicht mitkommen«, sagte sie.
    »Warum nicht?«
    »Geh du. Mach einen kleinen Spaziergang, schau dir die hübschen Mädchen an, und während du weg bist, mache ich das Frühstück«, sagte sie.
    So verließ er ihr gemeinsames Bett, wusch sich und zog sich an, und schlenderte an einem lieblichen Sommermorgen über den Hügel. San Francisco gehörte der Vergangenheit an. Dieses Jahr spielte sich der Hippie-Aufzug im Bostoner Common ab. Einige Teilnehmer waren Height-Ashbury-Veteranen, andere Neuankömmlinge und Möchtegern-Hippies, die sich nur gelegentlich so kostümierten, aber es war lustig, alle miteinander zu beobachten. Die Männer waren weit weniger interessant als die Frauen, und nicht nur aus physischen Gründen, sagte er sich tugendhaft; die Männer neigten dazu, sklavische Konformisten ihres Nichtkonformismus zu sein und drängten sich mit einer begrenzten Vielfalt struppiger Stammesmerkmale zusammen. Die Frauen zeigten seiner Meinung nach mehr Phantasie und versuchten nicht neiderfüllt eine nach Bongo schmeckende Rothaarige anzustarren, die trotz der Hitze auf Indianerart in eine graue Decke gehüllt war; sie trug eine Feder in ihrem mit Glasperlen besetzten Haarband, und als sie auf wunderbaren, nackten Füßen an ihm vorbeiging, bewegten sich hinten die Buchstaben U. S. Navy im Rhythmus eines Tamtams auf und ab. Adam machte die Runde, aber nicht einmal das atemberaubendste Hippie-Mädchen ließ ihn bedauern, daß er schon eine Frau hatte.
    Er verbrachte jetzt viel Zeit in stummer Dankbarkeit für das, was sie besaßen. Mit jedem Tag wuchsen Gabys Chancen.
    Als er die Dozentur bekam, fühlten sie sich einen Augenblick lang reich. Ein Mädchen, das Gaby von der Schule her kannte, gab ihre Wohnung im ersten Stock in der Commonwealth Avenue auf, viel hübscher als die Kellerwohnung in der Phillips Street, größer und in einem umgebauten Stadthaus mit einer ehrwürdigen Magnolie hinter dem winzigen Eisengitter. Aber sie hatten sich entschlossen, die Wohnung doch nicht zu nehmen. Einmal würden sie bestimmt umziehen; sie waren sich einig, daß es für ein Kind herrlich wäre, auf Wiesen im weiten Land aufzuwachsen. Aber sie besaßen das Strandgrundstück in Truro, wohin sie fahren konnten, wann immer es ihre Zeit zuließ, und vorderhand wollten sie mit dem Beacon Hill vorlieb nehmen. Gaby legte jeden Monat das Geld, das sie für die Wohnung in der Commonwealth Avenue ausgegeben hätten, beiseite. Wenn sie die Babysachen kaufen mußte, waren sie dann schon bezahlt.
    Er hingegen fand die Ausrede, die er gebraucht hatte, um das Rauchen aufzugeben. Statt Schuldgefühle anzuhäufen, weil er als Arzt rauchte, ließ er in entsprechenden Abständen den Preis für ein Päckchen Zigaretten in einen Pappbehälter fallen, der für pathologische Proben bestimmt war, und sparte für den Ankauf eines englischen Kinderwagens, wie er und Gaby ihn auf Spaziergängen im Stadtpark bewundert hatten. Die finanzielle Seite des Wochenbetts war geregelt. Gaby stand unter der persönlichen Betreuung von Dr. Irving Gerstein, dem Chef der Gynäkologischen Station des Krankenhauses, der nicht nur der beste Geburtshelfer war, den Adam kannte, sondern auch äußerst verständnisvoll gegenüber werdenden Vätern. Eines Tages saß Adam mit ihm in der Cafeteria des Krankenhauses und erörterte Gabys schmales Becken und trank Kaffee, während Gerstein eine Wassermelone aß. Er nahm einen der glatten schwarzen Samen zwischen Daumen und Zeigefinger, drückte ihn zusammen, und das kleine Ei spritzte heraus.
    »So leicht wird Ihr Baby geboren werden«, sagte er.
    Als Adam vom Common heimkam, war er zufrieden und ungeheuer hungrig. Er aß die Grapefruit, die Eier, den knusprigen Speck, die sie ihm vorsetzte, und häufte reiches Lob auf ihre frischgebackenen Brötchen vom Supermarkt, aber sie war eigenartig schweigsam.
    »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er, als er mit seiner zweiten Tasse Tee begann.
    »Ich wollte dir das Frühstück nicht verderben, Darling.« Fehlgeburt, dachte er benommen.
    »Es handelt sich um deinen Vater, Adam«, sagte sie.
     
    Sie wollte mitkommen, er bestand jedoch darauf, daß sie zu Hause blieb. Er gab den größten Teil des Geldes für den
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