Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik
Autoren: Noah Gordon
Vom Netzwerk:
nach mehreren Versuchen, mit »Mein lieber Miguel«, »Mein lieber Sohn«, schließlich zu folgendem Kompromiß:
     
    Mein lieber Sohn Miguel, Ich muß Dir zunächst für ein Glück danken, das größer war, als ich es je gekannt habe: jemanden – nämlich Dich zu lieben. In der kurzen Zeit Deines Lebens hast Du mir die schönsten Eigenschaften meiner Familie vor Augen geführt, und nicht eine einzige Schwäche, von denen, wie Du noch sehen wirst, die Welt immer zerrissen wurde, und mit der Welt auch wir selbst.
    Wenn man Dir diesen Brief irgendwann einmal zu lesen gibt – wenn Du alt genug bist, ihn zu verstehen –, dann deshalb, weil ich von der Reise, die jetzt vor mir liegt, nicht zurückgekehrt bin.
    Falls ich aber doch zurückkehre, werde ich die gesamte Juristenwelt auf den Kopf stellen, um die Vormundschaft über Dich zu erlangen. Sollte es sich jedoch herausstellen, daß diese Welt unmöglich auf den Kopf zu stellen ist, werde ich es einzurichten wissen, Dich regelmäßig und oft zu sehen.
    Es ist jedoch möglich, daß Du diese Worte lesen wirst. Daher wünsche ich, ich könnte sie zu einem Credo machen, nach dem man leben kann, zu all dem, was ein Vater seinem Sohn zu geben vermag, oder zumindest einem wesentlichen Rat, der Dir hilft, den Schmerz des Daseins zu erleichtern. Leider vermag ich das nicht. Ich kann Dir nur raten, Dein Leben so zu leben, daß Du anderen so wenig Schaden wie möglich zufügst. Versuche, bevor Du stirbst, etwas zu tun oder gutzumachen, das nicht geschehen wäre, wenn Du nicht vorhanden gewesen wärst.
    Das beste, das ich in meinem Leben gelernt habe, ist: Wenn man Angst hat, ist es am besten, sich ihr zu stellen und entschlossen darauf loszugehen. Ich weiß, daß dies einem Unbewaffneten, der vor einem hungrigen Tiger steht, als fragwürdiger Rat erscheinen mag. Ich gehe nach Vietnam, um dem Tiger zu begegnen und herauszufinden, welche moralischen Waffen ich als Mensch und als Mann besitze.
    Die Uhr, die diesen Brief begleitet, ist viele Generationen hindurch jeweils dem ältesten Sohn weitergegeben worden. Ich bete, daß sie durch Dich noch viele Male weitergegeben wird. Poliere die Engel hie und da und öle das Werk. Sei gut zu Deiner Mutter, die Dich liebt und Deine Liebe und Unterstützung brauchen wird.
    Denke an die Familie, aus der Du kommst, und daß Du einen Vater hattest, der wußte, daß sehr viel Gutes von Dir kommen wird.
    In tiefster Liebe Rafael Meomartino 
    Er packte die Uhr sorgfältig ein, indem er die Schachtel zuerst mit zusammengeknüllten Seiten des Christian Science Monitor ausstopfte, um die Uhr gegen Stöße abzusichern. Dann schrieb er einen kurzen erklärenden Begleitbrief an Samourian.
    Als er fertig war, saß er da, sah sich in dem kühlen, angenehmen Raum um, dachte an Untervermietung, an Möbeleinlagerung. Nach einigen Minuten ging er zum Telephon und rief Ted Bergstrom in Lexington an, bat um eine Telephonnummer in Los Angeles und erhielt sie, wenn auch etwas kühl. Er meldete das Gespräch sofort an, hatte jedoch nicht damit gerechnet, daß es drei Stunden dauern würde, bis die Verbindung zustande kam.
    Sein Telephon läutete erst um zehn Uhr abends.
    »Hallo, Peg?« sagte er. »Hier spricht Rafe Meomartino. Wie geht es Ihnen?… Gut… Mir geht’s fein, einfach prima. Ich bin geschieden, das heißt, ich werde es vermutlich jetzt jeden Augenblick sein… Ja. Nun… Hören Sie, ich fahre in einigen Wochen durch Kalifornien und möchte Sie sehr gern wiedersehen… Ja? Wunderbar! Erinnern Sie sich, daß Sie mir einmal sagten, wir hätten nichts gemeinsam? Nun, das ist verdammt…«

19
 
A D AM S I L V E RS T O NE
    Die bevorstehende Vaterschaft hatte Adam zu einem Bauch-Abtaster gemacht. »Gehen wir doch in den Park und sehen uns die Hippieversammlung an«, sagte er eines Sonntagmorgens zu seiner Frau, als er ihren Bauch streichelte. Gaby war erst drei Monate schwanger und die kleine Schwellung noch kaum bemerkbar; sie sagte, es seien Gase, aber er wußte es besser. Die Schwangerschaft hatte sie in eine Rubensfrau en miniature verwandelt, zum erstenmal in ihrem Leben zeigten die kleinen Brüste eine Andeutung von Schwere, ihre Hüften und Sitzbakken einen sanften Schwung, und ihr Bauch, der die Last trug, eine entschieden nach außen gekrümmte Ellipse, viel zu schön, um von Gasen zu stammen. Für seine anbetende Handfläche gab es nichts als die glatte Haut der noch unreifen Fleischknospe, die nur durch den einwärts gezogenen Nabel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher