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Die Klinge

Titel: Die Klinge
Autoren: Colin Forbes
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hatte Paula die Abzweigung der Bergstraße erreicht, die durch eine schmale Schlucht steil nach oben führte. Als sie hinaufsah, konnte sie keine Spur von der Gestalt auf dem anderen Roller mehr entdecken. Dafür sah sie den Kleinbus, der offenbar eine falsche Abzweigung
genommen hatte und sich auf einer anderen Straße den Berg hinaufmühte.
    »Das ist der falsche Weg!«, schrie sie. »So kommt ihr nie zu den Türmen!«
    Ihre Worte kamen als Echo zu ihr zurück, aber der Bus setzte seine Fahrt fort, ohne anzuhalten. Wie sollten die vier in seinem Inneren bei dem lauten Motor auch ihr Rufen hören? Kurz entschlossen fuhr Paula auf einer Straße, die nicht viel mehr als ein Feldweg war, die Schlucht hinauf. Auf dem Rollsplitt musste sie ihr ganzes fahrerisches Können aufbieten, das sie Gott sei Dank nicht verlernt hatte. Obwohl sie bei ihrem raschen Aufbruch geistesgegenwärtig ihre Handschuhe mitgenommen hatte, war es auf dem Roller bitterkalt. Bald hatte sie den Fuß des Kalkgipfels erreicht, den sie Tage zuvor vom Zug aus gesehen hatte, und fuhr eine Weile auf einem kleinen Hochplateau entlang, bevor der Weg wieder anzusteigen begann. Paula hielt an und sah nach oben.
    Die Morgendämmerung tauchte die beiden Türme in ein rosafarbenes Licht, in dem sie genau so aussahen, wie Paula sie in ihrem Traum gesehen hatte.
    »Fahr weiter«, sagte sie zu sich selbst, »sonst holst du die Gestalt auf dem Roller nie ein.«
    Mit Vollgas raste sie den Weg hinauf, der sehr viel steiler war als das erste Stück in der Schlucht. Manchmal kam der Roller in den Kurven ins Schlingern, sodass Paula höllisch aufpassen musste, um nicht zu stürzen. Trotz der Handschuhe waren ihre Finger schon ganz gefühllos vor Kälte. »Verdammt noch mal, wo bist du?«, presste sie hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. »Dieses Mal entkommst du mir nicht.«
     
    Unten im Hotel hatte Tweed zugesehen, wie die vier Männer mit dem Kleinbus losgefahren waren. Dann hatte er sich zufrieden in seinen warmen Morgenmantel gehüllt
und sich eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne eingegossen, die er sich vom Besitzer des Hotels hatte geben lassen.
    Auf einmal hörte er, wie ein Roller angelassen wurde. Er rannte ans Fenster und konnte gerade noch sehen, dass eine Gestalt in einem schwarzen Mantel, die einen breitkrempigen Hut auf dem Kopf trug, die Bergstraße hinaufraste. Dann sah er kurz darauf Paula, die auf einem anderen Roller die Verfolgung aufnahm, und verfluchte sich innerlich dafür, dass er noch im Schlafanzug war. So schnell er konnte, zog er sich warme Kleidung an. Bevor er in seinen Mantel schlüpfte, überprüfte er noch schnell seine Walther. Sie war, wie immer, voll durchgeladen. Jedem seiner Untergebenen hätte er deswegen die schwersten Vorwürfe gemacht. Er steckte die Waffe in sein Gürtelhalfter, zog den Mantel an und rannte die Treppe hinunter.
    Als er hinaus auf die Straße eilte, rief ihm der Hotelbesitzer etwas nach, was er aber nicht verstand. Erleichtert sah er, dass Marlers Motorrad vor dem Hotel stand. Er steckte den Reserveschlüssel, den Marler ihm am Abend zuvor gegeben hatte, ins Zündschloss, drückte den Startknopf und raste Paula hinterher, die mittlerweile einen weiten Vorsprung hatte.
     
    Wann bin ich denn endlich oben?, fragte sich Paula. Die Straße schien kein Ende nehmen zu wollen. Ihre Finger waren jetzt so durchgefroren, dass sie den Lenker kaum mehr halten konnte.
    Wenn ich dort oben auf den Mörder treffe, werde ich dann noch genügend Kraft haben, um mit ihm zu kämpfen? Verzweifelt umklammerte sie den Lenker, weil der Roller auf der schlaglochübersäten Straße wie wild zu hüpfen anfing. Und dann sah sie auf einmal ein weites, an den Seiten leicht abfallendes Plateau vor sich. Sie hielt an, schaltete den Motor aus und schaute sich um.

    Vor ihr lag, achtlos auf einer glatten Felsplatte hingeworfen, der Roller, den sie verfolgt hatte. Daneben sah sie einen Kanaldeckel, der neben einem offenen Schacht lag, den er vermutlich abgedeckt hatte. Von der Gestalt im Schlapphut war weit und breit nichts zu sehen. Paula stellte ihren Roller auf den Ständer und horchte. Nichts. Sie ging auf und ab und schwenkte die Arme, um wieder etwas Wärme in ihre steif gefrorenen Glieder zu bringen. Dann trat sie mit der Browning in der Hand an den Rand des Plateaus, wo es mehrere hundert Meter steil nach unten ging. Tief unter sich sah sie Airolo, dessen Häuser wie Spielzeug wirkten. Die Pistole im Anschlag wirbelte Paula
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