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Die Klinge

Titel: Die Klinge
Autoren: Colin Forbes
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ihrer Türklinke gerüttelt hatte. Sofort sprang sie aus dem Bett. Sie war voll angekleidet. Vor dem Schlafengehen hatte sie noch heiß geduscht und war dann in voller Montur ins Bett gestiegen, weil es in dem Zimmer fast so kalt wie draußen gewesen war. Erst hatte sie die klapprigen Fensterläden schließen wollen, es sich dann aber doch anders überlegt.
    Weil das Zimmer so klein war, hatte niemand bei ihr Wache halten können, und so war sie zu ihrer altbewährten Methode zurückgekehrt und hatte eine Stuhllehne unter die Klinke und einen Keil unter den Türspalt geschoben.
    Als Paula an der Tür war, sah sie einen Briefumschlag, den jemand darunter durchgeschoben hatte. Es war ein Umschlag aus dem Splendide Royal in Lugano, und als Paula ihn öffnete, sah sie, dass er ein Blatt Briefpapier aus diesem Hotel enthielt. Das Blatt war leer. Was zum Teufel ging hier vor?
    Auf einmal hörte sie den Motor eines Autos, das sich rasch entfernte. Sie rannte zum Fenster und sah, wie der Kleinbus die Straße hinauf zu den beiden Türmen fuhr. Es war noch ein weiter Weg bis dorthin. Paula nahm ihr Nachtglas zur Hand und richtete es auf den Wagen. Es saßen vier Männer darin: Newman am Steuer, Marler neben ihm, dahinter Butler und Nield. Was wollten die bloß da oben?

    Es war Tweed gewesen, der die Entscheidung getroffen hatte, nachdem Paula zu Bett gegangen war.
    »Paula macht sich Gedanken wegen der beiden Türme, die dort auf halbem Weg den Berg hinauf stehen«, hatte er den Männern gesagt, nachdem sich diese in seinem Zimmer versammelt hatten. »Ich möchte, dass Sie morgen in aller Früh mit dem Bus hinauffahren, um sich die Türme näher anzusehen. Vielleicht befindet sich dort ja etwas, über das wir Bescheid wissen sollten.«
    »Ist das denn wirklich nötig?«, hatte Newman gefragt.
    »Ja, das ist es. Und sei es bloß deshalb, um Paula zu beruhigen. Die Reise war bisher die reinste Hölle für sie. Und jetzt keine Widerrede mehr. Tun Sie einfach, was ich von Ihnen verlange.«
     
    Verwirrt setzte sich Paula aufs Bett, und weil sie nichts anderes zu tun hatte, nahm sie ihre.32er Browning zur Hand, überprüfte sie gründlich und lud sie dann mit einem vollen Magazin. Auf einmal hörte sie, wie unten vor ihrem Fenster ein Motorroller angelassen wurde.
    Konnte das Tweed sein, der den anderen hinterherfuhr? Wenn ja, dann war sie jetzt ganz allein in diesem elenden Nest. Nicht, dass sie das sonderlich beunruhigt hätte, sie würde sich zur Not schon zu helfen wissen. Sie stand auf und blickte aus dem Fenster. Was sie sah, ließ sie vor Schreck erstarren.
    Auf dem Roller, der bereits zwei Drittel der Dorfstraße zurückgelegt hatte und sich der Bergstraße hinauf zu den zwei Türmen näherte, saß eine große Gestalt. Sie trug schwarze Stiefel und hatte einen langen schwarzen Mantel an. Auf dem Kopf thronte ein breitkrempiger Hut, der tief ins Gesicht gezogen war.
    Paula verstaute die Browning in ihrem Spezialfach, schlang sich die Tasche über die Schulter und polterte die
Wendeltreppe hinunter. An der Rezeption stand der Besitzer des Hotels, der sie freundlich anlächelte. Paula zeigte ihm den Briefumschlag.
    »Haben Sie den schon mal gesehen?«
    »Ja, Signora. Vorhin ist gekommen ein Mann und hat gefragt nach Ihre Zimmernummer. Wollte abgeben Briefumschlag. Ich ihm habe gesagt, er soll geben mir, ich bringen Umschlag nach oben. Aber er nicht wollen, also ich ihm habe gegeben Zimmernummer. War große Mann, mit große Hut …«
    Paula rannte aus dem Hotel gleich hinüber zu dem Rollerverleih. Der Laden hatte bereits geöffnet, und die Roller standen fahrbereit davor. Sie gab dem Besitzer einen Hundertfrankenschein, mehr als genug, um einen Roller für eine ganze Woche zu mieten.
    »Ist zu viel …«
    Aber Paula saß bereits auf dem Roller. Sie war Marler unendlich dankbar, dass er tags zuvor ihr Gedächtnis ein wenig aufgefrischt hatte. »Die Italiener bauen die besten Roller der Welt«, hatte er zu ihr gesagt.
    Paula drückte den Starterknopf und dachte zurück an die Zeit, in der sie als Teenager einen ähnlichen Roller besessen hatte. Entschlossen fuhr sie die Straße entlang, die mit glatten Kopfsteinen gepflastert war. Das Gefährt fühlte sich ein bisschen wackelig an, aber Paula hielt die Balance. Seltsam, dass der Verleih schon so früh aufmacht, dachte sie. Aber vielleicht geht der Besitzer gleich nach Sonnenuntergang zu Bett, um Strom zu sparen. Diese Bergbewohner drehen doch jeden Rappen zweimal um.
    Bald
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