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Die Klinge

Titel: Die Klinge
Autoren: Colin Forbes
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Newman anhielt, gab Tweed ihm das Fernglas. Newman spähte hindurch. Die Haarnadelkurve war so eng, dass die überlange Limousine an ihrem Scheitelpunkt zurücksetzen musste, und Newman und Paula genügend Zeit hatten, sie mit ihren Nachtgläsern genau zu betrachten.
    »Sie hatten Recht«, sagte Newman zu Tweed. »Ihre Rechnung geht auf. Marienetta fährt, neben ihr sitzt Roman. Dahinter sitzen Sophie und Snyder, die beide starr zum Fenster hinausschauen - typisch. Wahrscheinlich haben sie die ganze Fahrt über noch kein Wort gewechselt.«

    »Und auf der dritten Bank habe ich ganz deutlich Russell Straub und daneben Ed Danvers erkannt«, berichtete Paula.
    »Fahren Sie langsam weiter«, sagte Tweed. »Ich will sie zwar nicht einholen, aber verlieren sollten wir sie auch nicht.«
    »In den Bergen ist das nicht schwer«, sagte Newman. »Aber sobald es wieder flach wird, kommen wir ihnen vielleicht nicht mehr hinterher.«
    »Und wenn wir dann in Airolo sind«, fuhr Tweed unbeirrt fort, »müssen wir unbedingt gleich das Hotel finden, in dem sie unterkommen. Aber sie dürfen uns auf keinen Fall bemerken.«
    »Nichts leichter als das«, sagte Newman ironisch. »Vielleicht möchten ja Sie lieber selbst ans Steuer?«
    »Wie hoch liegt Airolo eigentlich?«, fragte Paula, um einen möglichen Streit im Keim zu ersticken.
    »Irgendetwas über elfhundert Meter«, antwortete Tweed.
    »Es wird auch schon langsam kälter«, sagte Paula.
    »Dann schalte ich die Heizung ein«, sagte Newman. »Aber nur, wenn Sie mich endlich in Ruhe fahren lassen.«
     
    Als sie das einsam gelegene Airolo erreichten, war der Mond aufgegangen. Es stellte sich heraus, dass die Arbogasts sich für das Supremazia entschieden hatten, das - ebenso wie das Grandezza - unmittelbar an der Hauptstraße lag. Zu Paulas Verwunderung hatten noch ein paar Geschäfte geöffnet, auch eine Zweiradhandlung direkt neben dem Grandezza, die ihre Motorroller auf dem Gehweg präsentierte. Interessiert schaute Paula sich mit Marler die Roller an und setzte sich probeweise sogar auf einen drauf. Marler zeigte ihr, wie man ihn anließ, Gas gab und bremste. Der Ladenbetreiber, ein agiler, dunkelhaariger Typ, kam lächelnd zu ihnen herausgeeilt und informierte sie, was es kostete, einen Roller tage- oder wochenweise
zu mieten, und wie viel Kaution sie hinterlegen mussten. Paula meinte, sie würde es sich durch den Kopf gehen lassen.
    »Sie haben genügend Zimmer für uns alle«, berichtete Tweed, als sie mit Nield ins Hotel nachkam. Marler hatte sich noch nicht von den Motorrollern losreißen können.
    »In dem Ort ist überhaupt nichts los«, fuhr Tweed fort. »Es ist keine Saison.«
    »Gibt es hier überhaupt so etwas wie eine Saison?«, flüsterte Nield.
    Das Hotel selbst hatte schon einmal bessere Tage gesehen. Die Räume waren niedrig, die Gänge schmal und das Mobiliar aus Massivholz alt und abgenutzt. Immerhin erklärte sich der Besitzer, der dem Zweiradhändler auffallend ähnelte, bereit, ihnen noch ein Abendessen zu servieren.
    Paula hörte, wie Marler draußen sein Motorrad anließ, es aber kurz darauf wieder ausmachte.
    »Ich habe sicherheitshalber mal das Motorrad aus dem Bus geholt und nachgesehen, ob es läuft«, erklärte Marler, nachdem auch er ins Hotel gekommen war. »Es steht jetzt hinter dem Bus auf der Straße. Ich hatte keine Lust, es wieder hineinzuhieven. Ich glaube kaum, dass hier was gestohlen wird. Ich gebe Ihnen aber vorsichtshalber mal den Zweitschlüssel, Tweed.«
    »Könnte ich vor dem Essen vielleicht kurz mein Zimmer sehen?«, fragte Paula den Hotelbesitzer.
    Der Mann brachte sie über eine enge Wendeltreppe hinauf in den ersten Stock und sperrte ihr ein Zimmer auf. Nachdem Paula sich bei ihm bedankt hatte und er wieder verschwunden war, ging sie ans Fenster und öffnete die Läden.
    Was sie sah, verschlug ihr den Atem. Direkt vor ihren Augen war der Berg mit den beiden durch eine Mauer verbundenen Türmen, die sie erst vom Zug aus und dann
in ihrem Albtraum gesehen hatte. Im bläulich bleichen Mondlicht wirkten sie noch gespenstischer, als Paula sie in Erinnerung hatte. Eine kleine Straße, die weiter oben am Berg in einen ungeteerten Weg überging, führte aus der Ortschaft hinaus zu ihnen hinauf. Paula lief ein eiskalter Schauder über den Rücken. Sie meinte, das Gefühl der Bedrohung, das von den beiden Türmen ausging, beinahe mit Händen greifen zu können.

40
    Paula erwachte beim ersten Schein der Morgendämmerung, weil irgendjemand an
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