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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe
Autoren: Roman Rausch
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entschieden?»
    «Noch nicht ganz. Ich warte auf Nachricht aus meiner Heimat. Dann will ich schauen, ob ich zurückkehre oder woanders mein Glück versuche.»
    Sie seufzte.
    «Was ist?», fragte er.
    «Ich dachte, du hättest in Würzburg eine neue Heimat gefunden. Jetzt, da das schlimme Brennen vorbei ist …»
    «Wir werden sehen.»
    «Deine Schwarzen Banden werden dich vermissen.»
    Volkhardt lachte. «So schwarz sind sie nicht mehr, zumindest die meisten nicht. Seitdem sie der Stadtrat in den leerstehenden Häusern untergebracht hat, sind sie angehalten, sich täglich zu waschen. Das behagt einigen überhaupt nicht.»
    Nun musste Kathi ebenfalls lachen. «Und mit der Schule haben sie auch nicht gerechnet.»
    «Igitt, waschen und lernen. Das ist ja schlimmer als Hexenschleim und Spinnendreck.»
    Das gemeinsame Lachen wirkte befreiend wie die frische Luft, der nicht enden wollende Sonnenschein und die Gewissheit auf eine bessere Zeit. Von heute an war alles möglich.
    Unten, an den Ufern, machten derweil Händler ihre Boote fest. Sie löschten die Ladung, wurden willkommen geheißen und auf einen kühlen Wein vom Stein in die nächste Schenke eingeladen.
    «Hast du eigentlich noch einmal das Mädchen getroffen, das dich und deine Familie damals besagt hat?», fragte Kathi.
    «Nein, wieso?»
    «Ich dachte nur. Vielleicht hat es ihr leidgetan und …»
    «Sie starb wenige Tage später.»
    Kathi merkte auf. «Sie starb? Woran?»
    «Das weiß keiner so recht», antwortete Volkhardt. «Man erzählte sich, dass sie an dem Tag, als Faltermayer mit den Soldaten auf unsere Burg kam, um meine Brüder festzunehmen, sich im Schutz der Soldaten auf die Burg schlich.»
    «Was wollte sie dort?»
    «Rauben, nehme ich an.»
    «Woran starb sie dann?»
    «Ein Soldat berichtete, dass sie im Schlafzimmer meiner Eltern aufgegriffen worden sei, als sie eines der Tücher, ein wertvolles mit gesticktem Wappen, sich umgelegt hatte. Faltermayer soll darüber sehr erzürnt gewesen sein und dem Soldaten befohlen haben, sie zu töten.»
    «Ein Kind?»
    Er nickte. «Andere sagen aber, Faltermayer habe die lästige Zeugin eigenhändig mit einem Jagdmesser meines Vaters erstochen. Es ist so ein vierblättriges, mit dem man sogar ein Wildschwein aufspießen kann. Danach habe er sie den Wölfen im Wald zum Fraße vorgeworfen.»
    Kathi hatte diese Art von Messer schon bei ihrem Vater gesehen, und die Wunde, die solch ein Messer hinterließ, auf dem Rücken von Grit. Aber das konnte nicht sein. Wie sollte Grit jemals in den Süden gekommen sein? Sie stammte doch aus dem Norden, hatte man über sie erzählt. Das wäre zu viel des Zufalls gewesen. Aber wie verhielt es sich mit dem Tuch und dem kunstvoll verzierten Wappen, das die Magd in ihrer Truhe gefunden hatte?
    Die Antwort würde sie niemals erfahren. Grit war noch in der Nacht nach jenem bemerkenswerten Tag verschwunden. Einige wollten sie auf dem Boot eines Händlers mainabwärts gesehen haben, andere behaupteten, der Teufel habe sie geholt.
    Ein schlimmeres Schicksal hatte Anna ereilt. Sie war in eine tiefe Traurigkeit verfallen. Kein Doktor, kein Gebet und keine noch so verlockende Süßspeise aus der Klosterbäckerei wollten ihr Gemüt aufhellen. Anderntags war sie mit zerschmettertem Körper auf dem Hof von Neumünster gefunden worden. Allem Anschein nach war sie in der Nacht aufs Dach geklettert und dann heruntergestürzt. Arme Anna. Sollte Gott ihrer geplagten Seele den ewigen Frieden geben.
    Von Ulrich und Benedikt fehlte jede Spur. Nach dem Frühstück waren sie nicht mit den anderen Kindern zum Unterricht bei Pfarrer Ludwig erschienen. Ein Bruder wollte sie in der Klosterküche gesehen haben, wie sie sich Essen in die Taschen stopften. Danach seien sie verschwunden. Wenn Kathi das richtig deutete, dann hatten sie sich Proviant besorgt, um in einer anderen Stadt ein unbelastetes Leben zu beginnen.
    Und der kleine schwachsinnige Andreß? Was war aus ihm geworden? Seine Mutter und die Nachbarn hatten sich mit Entsetzen von ihm abgewandt, da er nach dem letzten vergeblichen Brand einfach nicht mit den Hexenreimen und Hexentänzen aufhören wollte. In ihm stecke wahrlich ein Teufel, flüsterte man sich zu. Der Bischof tue gut daran, ihn in den tiefsten Kerker seiner Burg zu sperren, damit er keinen Schaden anrichten könne. Hin und wieder wollte ihn der Nachtwächter durch die Keller und Straßen streunen gesehen haben. Einer habe ihn gar auf allen vieren laufen und wie ein Wolf auf den
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