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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe
Autoren: Roman Rausch
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eigene Garde investiert zu haben. Da hörte er die Hufe der Pferde. Gottlob, er war gerettet.
    «Aber am aufschlussreichsten sind diese Listen hier», fuhr Dürr fort. «Sie zeigen, was der Büttel konfisziert hat und was tatsächlich beim Bischof angekommen ist. Bei allen guten Geistern, da tun sich große Lücken auf. Das ist das Geld, das euch und euren Familien zusteht. Jetzt aber ist es in den Taschen von Meister Faltermayer.»
    Der Bischof, mit einem Fuß bereits in der Kutsche, hielt inne. Was war das soeben? Sein Hexenkommissar hatte ihn betrogen?
    Unmut machte sich unter den Bürgern breit. Die Ersten hoben drohend die Fäuste, sodass es Faltermayer ganz schwindelig wurde. Er musste weg, und das schnell, bevor die Meute sich gegen ihn erhob. Da erblickte er die Kutsche des Bischofs. Dem Himmel sei Dank, sie würde ihn hoch auf die sichere Burg bringen.
    Ein gewagter Satz von der Bühne verschaffte ihm einen Vorteil gegenüber zwei wütenden Handwerkern, die im Begriff waren, mehr über den Verbleib ihrer Vermögen erfahren zu wollen.
    Der Bischof gab dem Kutscher Befehl loszufahren. «Beeil er sich, schnell.»
    «Aber Meister Faltermayer kommt noch», gab der zu bedenken.
    Doch da kannte der Bischof keine Gnade. «Der hat sich nun vor einem anderen Herrn zu verantworten.»
    Daraufhin gab der Kutscher den Pferden die Peitsche. Zurück blieb ein atemloser Faltermayer, über den wütende Bürger herfielen.
    Auf der Bühne waren nun Volkhardt und Dürr alleine. Sie hatten den Bischof und seinen Hexenkommissar entzaubert. Die Kunde über deren Raffgier und Boshaftigkeit würde sich bald über die Grenzen hinaus verbreiten.
    Doch eine Angelegenheit blieb noch zu klären.
    «Kathi», rief Volkhardt, «wo hast du dich versteckt?»
    Der Platz unter dem Richtertisch hatte ihr als Schutz gedient. Nun kam sie humpelnd hervor und stellte sich an seine Seite.
    Als Erster ergriff Dürr das Wort. «Bürger von Würzburg», rief er der Menge zu. «Finstere Zeiten liegen hinter uns und schwere vor uns. Die Erde ist vergiftet und mit ihr die Menschen. Überall lauern Krankheit, Verrat und der Tod. Jedem von uns ist bekannt, wer die Schuld an all dem Gräuel trägt. Denn erst mit uns hat das ganze Unwesen angefangen und nicht mit jener bedauernswerten alten Amme Babette. Sie war das Licht und das Leben im Garten des Herrn. Die Kinder liebten sie. Und wir haben sie getötet. Der Zorn des Allmächtigen kam über uns. Er hat uns blind und taub gemacht gegenüber unseren Liebsten. Doch dann, als alles verloren schien, kam sie und hat uns gerettet.»
    Versöhnlich legte er die Hand auf Kathis Schulter.

[zur Inhaltsübersicht]
    35
    Das schöne, sonnige Wetter war Balsam für Mensch, Tier und die Natur. Es ließ die Auen wieder aufblühen, gab dem Vieh reichlich Futter und vertrieb die Sorgen der Würzburger.
    Am Schalksberg kehrte Ruhe ein, genauso wie in den Familien, die sich Volkhardts und Dürrs mahnende Worte zu Herzen genommen hatten. Nachts begann man wieder bei offenem Fenster zu schlafen. Die Kirchen waren nicht mehr so gefüllt wie in den Monaten zuvor. Auch aus den Kerkern hörte man keine beunruhigenden Nachrichten mehr, obwohl sie noch immer bis an die Grenzen belegt waren und die Verhöre weitergeführt wurden. Neue Menschen kamen in die Stadt, angelockt von den Vorzeichen des Aufschwungs und der Aussicht auf Wohlstand. Die Geschäfte gingen gut, und der weithin verbreitete Ruf Würzburgs als berüchtigter Hexenkessel schwand.
    Der Krieg hielt sich hartnäckig von der wohlhabenden Stadt fern. Wer nicht vor die Tore ging und auf vagabundierende Söldner oder umherstreifende Bettler stieß, mochte meinen, die Welt habe sich beruhigt, so, wie auf einen Fieberkrampf die Entspannung folgt.
    Es war, als sei mit dem Wetterwechsel eine neue Zeit angebrochen, die die alte vergessen machen wollte.
     
    Kathi saß mit Volkhardt auf einem warmen Stein am Nikolausberg. In letzter Zeit trafen sie sich oft an diesem Ort inmitten der Weinberge. Von hier aus lagen ihnen das Maintal und die Stadt zu Füßen. Die Sonne brach sich glitzernd im sanft dahingleitenden Fluss, und hin und wieder wehte der Wind das ausgelassene Johlen spielender Kinder zu ihnen herauf.
    «Hast du Lorentz noch einmal gesehen?», fragte Kathi.
    Volkhardt schüttelte den Kopf. «Er soll mit fahrendem Volk nach Norden aufgebrochen sein. Wenn es nach mir geht, kann er dort auch bleiben.»
    Die Antwort ließ Kathi hoffen. «Das heißt, du hast dich
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