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Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb.
Autoren: Lilian Jackson Braun
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gegen die endlos weiße Schneedecke abhoben. Der Weg führte an der verlassenen Buckshot-Mine mit einer gespenstischen Bergwerkshütte vorbei, die mit einem Maschendrahtzaun umgeben und als gefährlich gekennzeichnet war. Gleich dahinter war die Brücke über den Ittibittiwassee River, der dann abbog und parallel zur Straße nach Indian Village verlief.
    Geographisch und politisch gehörte der Vorort Indian Village zum Kreis Suffix; aus psychologischer Sicht war er – als gehobene Adresse für eine Reihe völlig unterschiedlicher, interessanter Bewohner – eine eigene Welt. Am Eingang von Indian Village vermittelte ein Tor den Eindruck von Exklusivität, doch es stand immer offen, was wiederum gastfreundlich wirkte. Vom Pförtnerhaus bis zum Clubhaus waren die Gebäude der bewaldeten Umgebung angepaßt – rustikal aus Holz gebaut.
    Die Mietwohnungen befanden sich in kleinen Häusern, die in unregelmäßigen Abständen am Woodland Trail standen. Die Eigentumswohnungen lagen nahe am River Lane, der über Felsen sprudelte oder sich in Tümpeln sammelte und Strudel bildete. Selbst im Winter konnte man unter Schnee und Eis das Wasser glucksen hören.
    Als Qwilleran zu seiner Eigentumswohnung im Gebäude fünf kam, dachte er an seine Mitbewohner. Würden sie ihn aufgeregt – das heißt, hungrig – begrüßen? Würden sie, zu einem einzigen Fellbündel zusammengerollt, auf dem Sofa liegen und tief und fest schlafen? Hatten sie vielleicht den Telefonhörer von der Gabel gestoßen oder einen Haarballen ausgespien oder während einer wilden Jagd eine Lampe zerbrochen?
    Bevor er seine Wohnung betrat, lieferte er die Lebensmittel ab, die er für Polly mitgenommen hatte. Er hatte einen Schlüssel zu ihrem Appartement, das am anderen Ende des Häuserblocks lag. Während er die Tür auf schloß, sprach er behutsam mit ihrem Kater Bootsie; er erklärte ihm, daß er einen rechtmäßigen Grund für sein Hiersein hatte und bloß die verderblichen Lebensmittel in den Kühlschrank legen und dann wieder gehen würde.
    Seine beiden Katzen saßen in Sphinxhaltung zufrieden am Fenster des Flußufers und lauschten dem Geräusch des Wassers. Die Wintersonne wurde von der weißen Landschaft reflektiert und beleuchtete wie ein riesiger Rückstrahler das seidige sandfarbene Fell der Tiere.
    »Hallo, ihr beiden«, sagte Qwilleran. »Wie geht’s? Gibt es etwas Neues? Wie viele Kaninchen habt ihr denn heute gezählt?«
    Träge erhoben sich die zwei Katzen, machten einen Buckel und strecken sich anschließend. Der Kater hieß Kao K’o Kung (kurz Koko) – der ›kluge Kater‹, wie Brodie ihn nannte. Er war geschmeidig und muskulös und hatte imposante Schnurrhaare und durchdringende blaue Augen, hinter denen sich kosmische Geheimnisse verbargen. Yum Yum, das Weibchen, war zierlich und sehr anhänglich. Ihre großen, klaren blauen Augen hatten einen Stich ins Violette. Die beiden Siamkatzen waren recht gesprächig: Koko maunzte in einem rauhen Bariton, und Yum Yum stieß immer dann, wenn man es am wenigsten erwartete, ein schrilles Kreischen aus, das einem das Blut in den Adern gefrieren ließ.
    Qwilleran holte die Geschenke aus dem Kombi und brachte sie ins Haus, las die Post, die er im Pförtnerhaus abgeholt hatte, erledigte ein paar Anrufe, fütterte die Katzen und zog dann einen Rollkragenpullover mit einer Tweedjacke darüber an. Polly hatte ihm gesagt, daß ihm Rollkragenpullover sehr gut stünden; daß ihre Schlichtheit seinen schönen Schnurrbart besonders hervorhob. Zum Teil freute es ihn, zum Teil nervte es ihn aber auch, daß sich die Leute soviel mit seinem außergewöhnlichen Gesichtsschmuck beschäftigten. Fran Brodle bezeichnete ihn als ›Schnurrbart im Zweiten-Empire-StiI‹, als wäre er ein Möbelstück.
    Niemand wußte jedoch, welch funktionelle Bedeutung er für seinen Besitzer hatte. Wann immer Qwilleran irgend etwas merkwürdig schien, spürte er ein Ziehen auf der Oberlippe. Die Erfahrung hatte ihn gelehrt, auf diese Signale zu achten. Manchmal knetete er seinen Schnurrbart, kämmte ihn mit den Fingerknöcheln oder strich bloß nachdenklich darüber, je nach dem, was er gerade dachte oder fühlte.
    Polly, die keine Ahnung von diesem Phänomen hatte, fragte dann: »Bist du wegen irgend etwas nervös, mein Lieber?«
    »Entschuldige. Nur eine dumme Angewohnheit«, antwortete er dann. Ihre Anregung in bezug auf den Rollkragenpullover griff er jedoch auf.
    Qwilleran warf einen letzten Blick in den großen Spiegel,
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