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Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Die Katze, die den Dieb vertrieb.

Titel: Die Katze, die den Dieb vertrieb.
Autoren: Lilian Jackson Braun
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vielen Freunden gesegnet war. Und all das stimmte auch… Er hätte sich jedoch nicht als den reichstem Mann im nordöstlichen Teil des mittleren Westens der USA bezeichnet. Doch auch das stimmte.
    Eine riesige Erbschaft, das Klingenschoen-Vermögen, hatte Qwilleran in diese entlegene Gegend geführt. Doch Geld war ihm eher lästig – sowohl die entsprechenden Statussymbole als auch die Verantwortung –, und so hatte er verfügt, daß seine Milliarden für wohltätige Zwecke verwendet werden sollten. Der Klingenschoen-Fonds wurde seit Jahren von einem Expertenausschuß in Chikago verwaltet, und James Mackintosh Qwilleran brauchte sich nicht weiter darum zu kümmern.
    Nicht nur aufgrund dieser großzügigen Geste war er in Moose County ein hochgeachteter Mann. Seine Bewunderer führten auch seine unterhaltsame Kolumne ›Aus Qwills Feder‹ an… seine umgängliche Art und seinen Sinn für Humor… daß er überhaupt nicht überheblich war… daß er interessiert zuhören konnte… und natürlich, seinen prachtvollen, herunterhängenden Schnurrbart, der ihm – zusammen mit seinen traurigen Augen – ein melancholisches Aussehen verlieh, so daß sich die Leute fragten, was er wohl schon alles hinter sich hatte. In Wirklichkeit hatte es mit diesem Schnurrbart mehr auf sich, als auf den ersten Blick zu erkennen war.
    Am Morgen des 23. Dezember verabschiedete Qwilleran sich von den Katzen und trug ihnen auf, sich in seiner Abwesenheit anständig zu benehmen. Er war überzeugt, daß Katzen um so klüger werden, je intelligenter man sich mit ihnen unterhält. Ihre unergründlichen blauen Augen starrten ihn gelassen an. Wußten sie, was er sagte? Oder warteten sie geduldig darauf, daß er endlich ging, damit sie ihr Vormittagsschläfchen halten konnten?
    Er wollte eigentlich seine Weihnachtseinkäufe erledigen, doch vorher mußte er seinen Beitrag in der Zeitungsredaktion abliefern: tausend Worte über den Weihnachtsmann für ›Qwills Feder‹. Nicht eben ein neues Thema, aber Qwilleran hatte das Talent eines Kolumnisten, es so zu bringen, daß es sich ganz brandaktuell anhörte.
    In den Redaktionsräumen des Moose County Dingsbums waren Weihnachtsdekorationen verpönt; solchen Schnickschnack überließ man Geschäften und Restaurants. Daher war Qwilleran überrascht, daß auf einem Aktenschrank im Büro des Verlegers ein kleiner geschmückter Weihnachtsbaum stand. Arch Riker, sein langjähriger Freund und Kollege, war ihm nach Pickax gefolgt und jetzt Verleger und Herausgeber der neuen Provinzzeitung. Der rotwangige Mann mit Bauchansatz und schütterem Haar, der da auf einem Chefsessel mit hoher Rückenlehne saß, wirkte glücklich. Er hatte nicht nur seinen Traum von einer eigenen Zeitung verwirklicht; er hatte auch die mollige, sympathische Frau geheiratet, die die Haushaltsseite schrieb.
    »Mildred und ich erwarten dich und Polly zum Weihnachtsessen«, erinnerte er Qwilleran.
    »Es gibt hoffentlich Truthahn«, erwiderte dieser; er dachte an die Reste für seine Mitbewohner. »Was ist das für ein Baum auf deinem Aktenschrank?«
    »Das war Wilfreds Idee«, sagte Riker beinahe entschuldigend. »Er hat den Christbaumschmuck selbst gebastelt, mit Zeitungspapier und Goldspray.«
    Wilfred Sugbury war der Sekretär der Ressortchefs – ein stiller, fleißiger junger Mann, der seine Kollegen nicht nur mit seinem Sieg bei einem Radrennen über siebzig Meilen erstaunt hatte. Zur Zeit belegte er am öffentlichen College einen Origami-Kurs. Beim Hinausgehen machte Qwilleran Wilfred ein Kompliment wegen seines handwerklichen Geschicks.
    »Ich schmücke Ihnen gern auch einen Baum, Mr. Qwilleran«, sagte er.
    »Der würde keine fünf Minuten stehen, Wilfred. Die Katzen würden den Schmuck zu Konfetti verarbeiten. Sie verstehen nichts von Kunst. Aber trotzdem vielen Dank.«
    Um sich für seine Weihnachtseinkäufe zu stärken, fuhr Qwilleran zu Lois’ Imbißbude, einer rustikalen Kneipe in einer Seitenstraße, die die Leute, die in der Innenstadt arbeiteten und einkaufen gingen, seit dreißig Jahren mit deftiger Hausmannskost versorgte. Lois Inchpot war eine imposante Frau, die mit der Autorität einer lokalen Berühmtheit Pfannkuchen aus- und ihre Meinung zum besten gab. Und die Stadt hatte auch wirklich erst vor kurzem – auf Erlaß des Bürgermeisters – den Lois-Inchpot-Tag gefeiert.
    Als Qwilleran eintrat, hämmerte sie gerade auf die altmodische Registrierkasse ein und erklärte dabei mit heiserer Stimme: »Wenn wir einen
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