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Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman

Titel: Die Kanzlerkandidatin - Kriminalroman
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien>
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okay. Und warum willst du jetzt alles hinschmeißen? Du bist Landtagsabgeordneter und kannst politisch Einfluss nehmen.“
    „Quatsch“, fuhr er ihr ungewollt heftig über den Mund. „Das ist die Mär, die den Bürgern seit Jahrzehnten erzählt wird. Dass sie das Glück haben, in einer Demokratie zu leben, in der sie Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen können, indem sie alle vier oder fünf Jahre in der Wahlkabine ihr Kreuz machen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Selbst wir sogenannten Volksvertreter können kaum noch Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen. Wir debattieren tagelang im Landtag über Nichtigkeiten wie die Neuordnung des Fleckens Bruchhausen-Vilsen und das Münzgesetz, doch die wirklich wichtigen Entscheidungen gehen komplett an uns vorbei. Und selbst wenn wir uns mit elementaren Themen wie die Eurokrise und die Sicherheit des Geldes befassen, ist es für die Katz. Die Musik wird in Brüssel und auf den internationalen Finanzplätzen gespielt. Jede jämmerliche Ratingagentur hat tausendmal mehr Macht als die Landesregierungen, ja sogar mehr als die Bundesregierung.“
    „Also ehrlich, Bernd. Ich finde, du übertreibst“, ging Bianca dazwischen.
    „Glaub mir, als Vorsitzender des Europaausschusses habe ich mich redlich bemüht, die niedersächsischen Interessen in die Brüsseler Politik einzubringen. Tagelang haben wir im Europaausschuss über EU-Verordnungen gestritten und Verbesserungsvorschläge eingebracht. Und wofür? Für den Papierkorb bestenfalls, vielleicht nutzen sie in Brüssel unsere Vorlagen auch als Toilettenpapier. Oder glaubst du, es interessiert irgendeine Sau dort, was wir in Niedersachsen sagen? Oder in einem der anderen fünfzehn deutschen Landesparlamente? Nicht einmal Berlin kann wirklich Einfluss nehmen. Sie tun gerne so als ob, um den Bürgern Sand in die Augen zu streuen. Auf dem Brüsseler Parkett gibt es jedoch siebenundzwanzig Spieler und jeder will mitspielen.“
    „Du willst sagen, dass die deutschen Landesparlamente überflüssig sind?“, vergewisserte sich Bianca.
    „In der aufwendigen Form wie jetzt sage ich Ja und nochmals Ja! Deutschland leistet sich sechzehn Landesparlamente und sechzehn Landesregierungen mit jeweils zehn und mehr Ministerien. Dazu die Regierung in Berlin und obendrein müssen die Deutschen noch einen wesentlichen Teil der Kosten für den EU-Apparat aufbringen. Mich wundert es nicht, dass die Schulden Deutschlands trotz sprudelnder Steuereinnahmen bei zwei Billionen Euro liegen und unaufhörlich steigen.“
    Er seufzte. „Was soll’s. Lass uns über etwas anderes reden. Was sagt eigentlich dein Freund dazu, dass du heute Abend mit mir essen gehst?“
    „Noch ein Dessert, die Herrschaften?“ Der Kellner hatte sich unbemerkt ihrem Tisch genähert, um abzuräumen.
    „Bei mir geht nichts mehr“, sagte Bianca. Wagner bat um die Rechnung und wartete auf ihre Antwort. Doch es kam nichts. Stattdessen meinte sie, dass seine Sicht der Dinge arg negativ sei, selbst für sie als politische Redakteurin. Und außerdem, Demokratien seien immer noch das kleinere Übel.
    Ja, dachte Wagner, wenn es sie denn gibt. Marion Klaßen, die künftige Kanzlerkandidatin, praktizierte eine Führungskultur, die einer Diktatorin zur Ehre gereicht hätte. Er hatte sich vorgenommen, ihren weiteren Werdegang genau zu beobachten. Irgendwann würde sich die Gelegenheit ergeben, der Öffentlichkeit ihr wahres Gesicht zu zeigen, da war er sich ganz sicher.
    „Aber um auf deine Frage zurückzukommen: Den gibt es nicht mehr.“
    Als Bianca sein fragendes Gesicht sah, fügte sie hinzu: „Wir haben uns vorletzte Woche getrennt. Es ging einfach nicht mehr.“
    Endlich mal eine gute Nachricht, freute sich Wagner. Was hieß gut, das war die beste Nachricht seit Langem. In diesem Moment segelte der Kellner mit der Rechnung an den Tisch. Wagner zahlte und legte ein großzügiges Trinkgeld obendrauf. „Vielleicht sollten wir aufbrechen“, schlug er vor.
    „Ja, wenn du Lust hast, kannst du noch auf einen Kaffee zu mir kommen“, sagte Bianca.
    „Nichts lieber als das.“
    Es blieb dann jedoch beim Kaffee. Nach etwa einer halben Stunde meinte Bianca, dass sie müde sei und ins Bett wollte. Und es sah ganz so aus, dass sie nicht vorhatte, ihn mitzunehmen. Plötzlich rückte sie näher an ihn heran. Ihr Kuss war kurz und flüchtig. Wagner war so überrascht, dass er nicht reagierte. Sie wird dich für einen Vollidioten halten, fluchte er im Stillen.
    „Die
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